Jan Delay über die Liebe zu seiner eigenen Musik, die Schwierigkeit des letzten Tracks und seinen ehrgeizigen Traum, die größte Halle von Hamburg zu füllen

Er nennt sich selbst „Chefstyler”, dabei führt er seine Musik seit einiger Zeit weg von HipHop und Reggae. Dem Erfolg von Jan Delay tut das keinen Abbruch, wie der große Erfolg seines Albums „Mercedes Dance” bewies. Über die nächste Platte sprach Björn Goldmann mit dem Hamburger Homeboy, der auch Stilikone sein möchte.


In Ihrem Blog stöhnen Sie über dröge Interviewreisen fürs neue Album und die Tatsache, dass Sie jedes Mal erzählen müssen, „wie geil und derbe die neue Platte denn geworden ist”.







Jan Delay: (lächelt) Ja, das stimmt.


Dann wollen wir Sie mal nicht enttäuschen. Wie „geil und derbe” ist die neue Platte denn nun geworden?


Delay: Für mich ist „Wir Kinder vom Bahnhof Soul” das Album, das ich immer machen wollte. Ich kann darauf komplett abfeiern. Bei den tanzbaren Tracks kann ich tanzen, bei den langsamen bekomme ich eine Gänsehaut. Es ist einfach die Musik, die ich schon immer geliebt habe.


Immer wieder haben Sie sich bei den Fans entschuldigt, dass die Produktion so lange gedauert hat . . .


Delay: Man schießt schnell über die gesteckten Ziele hinaus. Es kommt aber auch vor, dass man einen Track endlich fertig hat und der echt perfekt erscheint. Doch dann sehen die anderen Lieder dagegen plötzlich blass aus. Dann überarbeitet man die auch noch mal. Und noch mal . . .


Musikalisch und textlich?


Delay: Die letzten beiden Texte eines Albums zu schreiben ist tausendmal schwerer als die ersten beiden. Man hat das Gefühl, alles wäre schon tausendmal gesagt worden, man will sich nicht rezitieren. Man verändert noch ein Instrumental, schraubt da ein wenig rum. Irgendwann kommt man dann zu dem Punkt wo man sich sagt: Sind wir jetzt nicht schon zu wahnsinnig? Aber wenn dann ein Song im Kasten ist, freut man sich und zieht sich daran hoch bis ins nächste Tal.


Stilistisch gehen Sie extrem in die Breite, das Album greift den Funk der 70er auf. Tun Sie das, um alle Geschmäcker zu treffen?


Delay: Nee, das ist mein Geschmack. Ich habe das Glück, dass mein Geschmack den der Leute da draußen trifft. Ich muss mich nicht verbiegen, ich muss mir nichts vornehmen.


„Wir Kinder vom Bahnhof Soul”, „Mercedes Dance”, „Searching For The Jan Soul Rebels” – die Namen Ihrer Alben sind ja geradezu gespickt mit popkulturellen Verweisen.


Delay: Man denkt endlos über einen griffigen Titel nach, und je näher der Zeitraum der Veröffentlichung rückt, desto verzweifelter wird man dabei. Erst sollte das Album ja „Rave Against The Machine” heißen. Aber plötzlich war „Wir Kinder vom Bahnhof Soul” wie auf Knopfdruck da. Ich fand es derbe genug; ein nettes Wortspiel. Aber normalerweise kostet das Suchen eines guten Titels sehr viel Zeit.


Selbst sind Sie ja auch anspruchsvoller geworden, was die Locations angeht. In Ihrer Heimatstadt Hamburg wollen Sie die Color-Line-Arena füllen.

"Ich muss mich nicht verbiegen": Jan Delay beweist Geschmack, modisch wie musikalisch. Foto: Gulliver Theis © Universal | Universal






Delay: Das ist ein derber Traum von mir, die voll zu machen. Es gibt die ja noch nicht sooooo lange, aber wenn andere Hamburger sie füllen, warum sollte ich das nicht schaffen?


Also kein Mario-Barth-Syndrom?


Delay: (Lacht). Nein, wenn dann ein Lotto-King-Karl-Syndrom. Ich bin ja Hamburger.


Ihre Weggefährten aus ihrer früheren HipHop-Gruppe Absolute Beginner haben musikalisch doch sehr unterschiedliche Solopfade betreten. Wie würden die Beginner eigentlich heute klingen, wenn sie sich wieder zusammentun würden?


Delay: Es wird die Beginner bald wieder geben, in ein bis zwei Jahren werden wir wieder ins Studio gehen. Wie wir dann klingen werden? Das weiß ich nicht. Vielleicht clubbig, weil wir alle drei ja gerne auflegen.


Keine HipHop-Platte mehr?


Delay: Sagen wir es so: Es wird mit Sicherheit keine Rap-Rap-Platte werden, die nur Leute interessiert, die ausschließlich Rap hören.


Wie schätzen Sie die deutsche Hip-Hop-Szene dieser Tage denn überhaupt ein?


Delay: Noch immer vielversprechend und gut. Ich feiere nicht alles ab, was veröffentlicht wird, aber es gibt eine Menge vielversprechender und junger Talente, die alle ihre eigene Schiene finden und sich von den etablierten Musikern unterscheiden wollen. Und das ist doch das Wichtigste. Ich freue mich, wenn das gelingt. Denn ich weiß, da war ich auch mal. Überhaupt habe ich mich nie vom HipHop abgekehrt. Ich mache nur länger schon was anderes. Aber ich hätte keine Probleme, wieder dahin zurückzukehren.


Keinen Groll auf all' die Sidos und Bushidos draußen?


Delay: Die Feuilletonisten erwarten natürlich von mir, dass ich da drauf haue und andere Rapper beschimpfe. Aber das werde ich nicht tun. HipHop ist eine Kunst. Was aber nicht heißt, dass ich schlechten Rap schönreden werde.


HipHopper sind also eine Art Gemeinschaft, trotz der unterschiedlichen Ausrichtungen?


Delay: Keine Gemeinschaft, eher eine Kultur. Es ist der Ort, wo ich herkomme


Sie machten in den vergangenen Jahren mit der Zusammenarbeit mit Udo Lindenberg auf sich aufmerksam. Wird man Sie beide wieder zusammen hören?


Delay: Udo und ich sehen uns und wir kommunizieren viel. Es wird weitere Zusammenarbeiten geben, aber nicht nach dem Motto „ich mache einen Track auf deinem Album und du auf meinem”. Wie wir zusammenarbeiten, das halten wir offen. Jüngst haben wir aber sogar wieder auf einer Schiffstaufe in Hamburg gespielt. Das Schiff hieß „Mein Schiff” – voll der bescheuerte Name.