Bergkamen..

Kneift Möllemann vor den Bergleuten? Wird der Bundeswirtschaftsminister tatsächlich nach Bergkamen kommen? Diese Fragen beschäftigten noch am 18. September 1991 die Öffentlichkeit. Doch schon einen Tag später kam er zu einer Grubenfahrt auf Haus Aden.

Mit einem gellenden Pfeifkonzert und lauten Buhrufen empfingen Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann rund 1500 demonstrierende Bergleute aus dem Revier, Mitarbeiter von Bergbau-Zulieferern, Mitglieder des Bürgerkomitees und einige Schulklassen bei seiner Grubenfahrt auf Haus Aden. Bergleute von Monopol waren an diesem Tag allerdings nicht gekommen, weil sie ihn für den Totengräber ihrer Schachtanlage hielten.

Auch Kinder empfangen Minister Möllemann
Auch Kinder empfangen Minister Möllemann © WR | WR

Möllemann unterstrich in einer kurzen Ansprache vor den Demonstranten, sein Besuch der Oberadener Zeche verdeutlichen solle, dass die Probleme nur in gemeinsamen Gesprächen gelöst werden könnten.

Die Verbrennung der Möllemann-Strohpuppe Anfang Juni empfinde er immer noch als „geschmacklos“. Vor Ort wolle er sich noch einmal ein Bild über den Steinkohlenbergbau verschaffen, bevor er in die anstehenden Gespräche gehe, erklärte der. Seinen Besuch auf Haus Aden wolle er auch nutzen, um mit der Gewerkschaft und dem Bergbau den weiteren Fahrplan bis zur nächsten Kohlerunde abzustimmen.

Sehr zum Missfallen der Kundgebungsteilnehmer verschwand Möllemann sofort nach seiner Rede im Direktionsgebäude. Ungewöhnliche Sicherheitsmaßnahmen begleiteten den Ministerbesuch. So gab es schon seit drei Tagen Zugangskontrollen am Werksgelände. Auch die Veranstalter der Kundgebung, die IGBE-Oberaden mit Bernhard Grüner und Günter Porrmann an der Spitze, hatten sich so vorbereitet, dass die Demonstration ohne Zwischenfälle verlief.

Sechs Wochen später, am 29. Oktober, war Jürgen Möllemann erneut in Bergkamen - diesmal auf Einladung der Bergbau-Initiative. Sein Hauptanliegen war bei dieser Diskussionsveranstaltung im großen Ratssaal, für eine „Wirtschaftskonferenz Bergkamen“ unter Beteiligung des Bundes, des Landes, des Kreises Unna, DGB, IHK und Handwerkskammer zu werben. Bei einer möglichen Stilllegung der Schachtanlage Monopol solle sie dazu beitragen, den herben Arbeitsplatzverlust durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze abzufedern.

Konkrete Hilfen des Bundes zugesagt

Möllemann wusste offensichtlich schon, was 14 Tage später der RAG-Vorstand verkünden sollte: die Schaffung eines Verbundbergwerks „Haus Aden/Monopol“, was praktisch der Schließung eines der beiden Bergwerke gleichkam.

Bergbauserie
Bergbauserie © WR | WR

Kamens Bürgermeister Werner Berg bat darum, seine Stadt bei der Wirtschaftskonferenz zu berücksichtigen. Möllemann sagte Bergkamen konkrete Hilfen des Bundes zu. Notwendig sei diese Wirtschaftskonferenz, weil Bergkamen in besonderem Maße vom Bergbau abhängig sei. Ausdrücklich betonte Jürgen Möllemann im Ratssaal, dass bei den anstehenden Kohlegesprächen nur noch über den Zeitrahmen der Fördermengenreduzierung und über die flankierenden sozialen Maßnahmen verhandelt werden sollte.

Sehr zufrieden über den Verlauf der Diskussion im Ratssaal äußerten sich die Sprecherinnen des Bürgerkomitees Ute Scheunemann und Eva Kunze. „Wir wollten zeigen, dass hinter den Zahlen Menschen stehen - und das ist uns auch gelungen.“

Für den Moderator der Veranstaltung, den Vorsitzenden des DGB-Ortskartells Bertold Boden, wurde deutlich, dass die Bergkamener Bevölkerung inzwischen für die Sorgen des Bergbaus äußerst sensibilisiert sei. Immerhin drängten sich im und vor dem Ratstrakt über 700 Menschen, darunter auch etwa 100 Monopoler der Frühschicht, die praktisch direkt aus der Grube zur Diskussion mit Möllemann gekommen waren.

Stefanie Bolz und Anja Hettmannski, Schülerinnen der Harkort-Hauptschule, die vorher ihre literarische Vision über Bergkamen nach der Zechenschließung vorgetragen hatten, überreichten dem Minister ein Paket mit 30 000 Unterschriften für die Sicherung der Bergbau-Arbeitsplätze.