Bergkamen/Hamm..
Und wieder endet ein Stück Bergbaugeschichte. Zumindest bei uns im östlichen Ruhrgebiet. Denn ab November wird die alte Kohlenwäsche, die im mittlerweile stillgelegten Bergwerk Ost über 60 Jahre ihre Dienste getan hat, in China zu neuem Leben erweckt. 50 Chinesen und acht Experten der Oberhausener Fachfirma IVT bauen seit dem 1. August die riesige Anlage Stück für Stück ab.
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5500 Mann haben einmal auf dem Bergwerk Ost gearbeitet, bis zu 160 waren es in der Kohleaufbereitung, der so genannten Kohlenwäsche. Jetzt wird die Waschkaue demontiert. „Ende Oktober wird es hier wohl nur noch ein paar Treppen geben“, sagt Rudolf Roth, stellvertretender Bereichsleiter Tagesbetrieb, und schaut sich wehmütig in der riesigen, 30 Meter hohen Halle um.
Die Aufsicht führt eine Frau
Der Boden ist schmutzig und feucht. Beim Anfassen des Treppengeländers hat man sofort schwarze Hände. Rohre, Schläuche und ein Hammer liegen herum. Dennoch: Das emsige Treiben ist vorbei. Das Förderband steht still. Nur die Chinesen arbeiten, mit Kohle verschmutztem Mundschutz und Sicherheitshelmen. Sie verladen gerade eine Vakuumpumpe, demontieren die dafür notwendigen Filterelemente, nummerieren jedes Teil.
Die Aufsicht führt eine Frau. eher eine Dame. Denn inmitten von Staub und Ruß, inmitten von Sicherheitsschuhen und Dreck abweisenden Fahrmänteln trägt Dr. Wencheng Pang Bluse und Perlenkette. Die Ingenieurin hat Verfahrenstechnik in Berlin studiert und arbeitet für die Firma Pingdingshan. Das ist das chinesische Unternehmen, das die gesamte Aufbereitungsanlage in einem Rutsch gekauft hat. Preis: geheim.
Ende in Raten
In der Chronologie des RAG gilt 1901 als das Geburtsjahr des Bergwerks Ost. Die Bergbaustandorte in Kamen und Bergkamen zählen nicht mit.1904 nahm das Bergwerk Ost die Förderung auf. Der Spitzenwert wurde 1985 mit 3,4 Mio. Tonnen pro Jahr erreicht. Ende 2008 hatte das Bergwerk noch 2401 Mitarbeiter. Ende September 2010 wurde die Förderung eingestellt.Im Internet bietet die RAG Mining Solutions seit einem Jahr die technische Übertageausrüstung des Bergwerks an. In der jetzt verkauften Aufbereitung wurden in Spitzenzeiten täglich 22.000 Tonnen Kohle gewaschen.
1:1 wird die 400 Elektroantriebe und eine moderne Computersteuerung umfassende Anlage allerdings nicht wieder in China aufgebaut. Sie wird aufgeteilt. „Das ist doch gut. Die Anlage wird hier nicht mehr gebraucht und in China können wir sie noch benutzen“, sagt Dr. Pang artig auf Deutsch mit chinesischem Akzent in die Kameras, die auf sie gerichtet sind.
„Hier im Bergwerk wird die Anlage demoniert, gereinigt, gesandstrahlt und dann in Überseecontainer verpackt“, erläutert Josef Leurs, Chef der Firma IVT, die die Arbeiten überwacht. Was dann geschieht, das weiß er nicht. Auch über die Chinesen selbst ist wenig bekannt. Sie arbeiten schweigend. Sie leben in einem Containerdorf vor dem Bergwerk, kaufen beim benachbarten Lidl ein, und halten sich penibel an die deutschen Sicherheitsvorschriften und Arbeitszeiten, ist zu erfahren. Von Deutschland selbst sehen die Asiaten offenbar nicht viel. Die Männer seien hier, um zu arbeiten, sagt Na Tian verdutzt auf die Frage, was die Gäste aus Fernost denn von Deutschland halten.
Auch Na Tian hat in Deutschland studiert, in München. Sie ist Juristin, leitet die China-Abteilung bei RAG Mining Solutions, der RAG-Tochter, die sich um den Verkauf von gebrauchtem Equipment kümmert, aber auch Dienstleistungen anbietet. Denn anders als in Deutschland ist Kohle in anderen Ländern sehr begehrt. „Kohle boomt“, sagt IVT-Chef Josef Leurs, Nicht nur China ist deshalb Kunde der RAG-Tochter. Auch Russland, die Ukraine, Polen oder die Türkei kaufen deutsche Bergbautechnik.
Noch ist einiges zu haben. Für den Förderturm Schacht Lerche etwa wird noch ein Käufer gesucht. Oder für die Anlagen, die unter Tage in Betrieb waren. Da hat China kein Interesse. So etwas bauen die Chinesen mittlerweile selbst.