Ist die Todespille das Einfallstor für Druck auf Lebensmüde? Die Gefahr besteht. Sterbehilfe stellt die Gesellschaft vor ein Dilemma

Die Sterbehilfe gehört zu den großen ethischen Konflikten unserer Epoche. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes in Münster bestätigt das Dilemma. Einerseits haben Schwerkranke das Recht auf ihren Sterbewunsch. Andererseits haben sie aber kein Anrecht auf das todbringende Medikament.

Die Frage, wie wir als Gesellschaft mit einem Wunsch nach Selbsttötung umgehen, ist historisch stark belastet. Zu groß ist das Einfallstor für andere Motive als die nach Erlösung von den Leiden. Wer jemals bei Angehörigen Sterbebegleitung geleistet hat, weiß, wie personal- und kostenaufwendig der letzte Gang sein kann. Noch auf dem Totenbett wird der Bürger nach seiner Effizienz und seinem Nutzen beurteilt.

Wenn die Sterbepille erst einmal verfügbar ist, wie leicht brechen dann die Dämme, mit ein bisschen psychischem Druck dem Sterbewunsch nachzuhelfen, damit pflegerische Ressourcen frei werden und Kosten eingespart? Das ist ein sehr heikles Thema angesichts der Lebenserwartung, des gesellschaftlichen Drucks, nicht nur zu leben, sondern auch erfolgreich zu leben, und des allgegenwärtigen Kostendrucks.

Gegner der aktiven Sterbehilfe argumentieren, dass es in den wenigsten Fällen schwerkranke Schmerzpatienten sind, die sterben wollen. Es sind einsame Menschen, die sterben wollen. Aus diesem Grund kann die Bedeutung der Hospize gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Wir blenden den Tod, das Sterben und die Bedürftigkeit, die damit verbunden ist, aus unserem Hochglanz-Alltag gern aus. Dabei gehört das Gehen genauso zum Leben wie das Kommen. Es braucht Raum, Zeit und vor allem Würde. Das kostet eben Geld.

Es kann einfach nicht die Aufgabe einer Gesellschaft sein, ihre Mitglieder in den Tod zu schicken.