Frankfurt.. In Frankfurt ist am späten Dienstagabend eine Lufthansa-Maschine aus Tripolis gelandet, die vor allem Deutsche nach Hause brachte: Flüchtlinge aus der nächsten afrikanischen Revolution, diesmal in Libyen.

Zwei lange bange Wochen schon hatten sie ihn nicht erreichen können: ihren Daniel, 23, „er ist ja noch ein Kind“. Daniel Rosenau aus dem Rheinischen war für eine Baufirma in Libyen, nachts um drei schickte er seinen Eltern die erlösende SMS: „Wir packen noch die Geräte zusammen, dann komme ich nach Hause.“ Und nun sitzen sie hier, Norma und Walter am Flughafen von Frankfurt, und warten. „Ich geh’ hier nicht mehr weg“, sagt die Mutter, „bis ich meinen Sohn sehe.“

Um sieben Uhr abends sind sie gekommen, da soll die Maschine landen, doch um diese Zeit ist sie nicht einmal abgeflogen in Tripolis, wo es so chaotisch ist; das werden die Passagiere später erzählen. Immer wieder geht Walter Rosenau zur Anzeigetafel, dauernd ändert sie die Zeit und das Ankunftsgate, 21.44 Uhr ist es schließlich, bis sie meldet: „landed“. „Das Rettungsflugzeug“, sagt Norma Rosenau. „Das Schlimmste wäre, wenn ich die Nachricht kriege, dass er nicht dabei ist.“

Vor allem Angestellte deutscher Firmen und deren Familien brachte die Lufthansa-Maschine heim. Foto: Dirk Bauer / WAZ FotoPool
Vor allem Angestellte deutscher Firmen und deren Familien brachte die Lufthansa-Maschine heim. Foto: Dirk Bauer / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool

Es sind nicht viele Angehörige zum Flugsteig 1C gekommen. Der Chef einer Stahlfirma, eine junge Frau, die nicht reden will, und ein beschlipstes Quartett der Firma Siemens, das sich mit Schildern an den Ausgängen postiert und dahinter einen Tisch aufbaut: „Bitte alle Mitarbeiter zum Meeting Point zwecks Registrierung.“ Hier kommen die Menschen heim, die in Libyen gearbeitet haben, wieder werden ganze Firmentöchter „ausgeflogen“, weil ein nordafrikanisches Land sich plötzlich gefährlich anfühlt. „Wenn wirklich ein Flugzeug aus der Luft schießt“, glaubt Walter Rosenau, „das sucht sich ja nicht aus, wen es trifft.“ Sein Daniel wurde 1988 in Tripolis geboren, „ich will ihn nicht auch dort verlieren.“

Menschen in „panischer Angst“

Doch als sie dann endlich um die Ecke biegen, all die Braungebrannten mit den Sonnenbrillen noch im Haar, mit Aktentaschen nur oder riesigen Koffern, ganze Familien mit kleinen Kindern auf dem Gepäckwagen – da hat niemand irgendeinen Tornado gehört, der tief flog über der Hauptstadt, keine Bomben, nur dieses „Toktoktok“, „ganz klar größere Kaliber“, sagt Nis Hansen. Aber wer da auf wen schoss? „Nichts ist schlimmer als Gerüchte“, gesteht der Projektleiter von Ferrostaal, der von brennenden Häusern berichtet, von Menschen „in panischer Angst“, vor allem aber von Diebstählen.

Zum Schluss hätten die Aufständischen alles mitgehen lassen, und was die Leute nicht klauten, kauften sie. Von leeren Geschäften erzählt Eva King-Leonhard, die in Tripolis eine Einkaufsmeile bauen sollte und nun ihre Tränen nicht mehr aufhalten kann: „Die Lage war sehr, sehr beängstigend.“ Von geschlossenen Apotheken und Schulen berichtet der Ingenieur Andreas Weichelt. Aber die Toten, die Schüsse, das Militär, das die Demonstranten angeblich aus der Luft beschoss? Journalisten umlagern die Rückkehrer, die endlich Zeugen sind: leibhaftige Beobachter aus einem Land, das sich abschottet.

„Wir hoffen, dass wir bald wieder zurück können“

Nur ist da keiner unter den Reisenden, der das Schlimmste bestätigen will – oder kann. „Wie das immer so ist“, sagt der Firmenchef, der am Rande wartet, „vor Ort kriegt man wenig mit.“ Und er hat ja Recht, es war auch bei den Heimkehrern aus Tunesien so und jenen aus Ägypten: außer Chaos nicht viel gewesen. „Ich kenne keinen einzigen Menschen, der gesehen hat, dass geschossen wurde“, sagt eine Frau genervt, „nur Leute, die gehört haben, dass einer gehört hat…“ Aber gehört haben tatsächlich fast alle, wenn auch Schüsse meist nur aus der Ferne. Wolfgang Beißwenger bestätigt das, Andreas Weichelt („mit Maschinenpistolen wild durch die Gegend“), Eva King-Leonhard. Von einem „Riesenaufstand“ spricht sie immerhin, „wir sind nur froh, dass wir zurück sind“.

Nach der verspäteten Landung waren alle Passagiere froh, endlich zu Hause zu sein. Foto: Dirk Bauer / WAZ FotoPool
Nach der verspäteten Landung waren alle Passagiere froh, endlich zu Hause zu sein. Foto: Dirk Bauer / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool

Spricht’s, um einen nächsten Satz hinterherzuschieben, den beinahe jeder hier sagt: „Wir hoffen, dass wir bald wieder zurück können.“ Sie wollen ihre Arbeit machen! Jetzt aber sind sie erleichtert, dem Durcheinander entronnen zu sein, all den Menschen, die sich am Flughafen drängten, um nach Hause zu kommen. Unter ihnen, Ironie dieser Tage, Hunderte Gastarbeiter aus Tunesien und Ägypten, die fliehen wollen aus einer Revolution, die ihre Heimatländer kaum hinter sich haben.

Heimkehr aus Libyen

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Walter und Norma Rosenau warten auf ihren Sohn Daniel (23) der am Ende doch nicht in der Maschine sitzt und sich aus Malta meldet.
Walter und Norma Rosenau warten auf ihren Sohn Daniel (23) der am Ende doch nicht in der Maschine sitzt und sich aus Malta meldet. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Auf dem Flughafen in Frankfurt/Main landen am späten Dienstag Abend (22.02.2011) Mitarbeiter und Angehörige Deutscher Firmen aus Libyen. Auf Grund der Unruhen haben die Deutschen eine Lufthansa Maschine aus Tripolis genutzt um die Heimreise anzutreten.
Auf dem Flughafen in Frankfurt/Main landen am späten Dienstag Abend (22.02.2011) Mitarbeiter und Angehörige Deutscher Firmen aus Libyen. Auf Grund der Unruhen haben die Deutschen eine Lufthansa Maschine aus Tripolis genutzt um die Heimreise anzutreten. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Wartende Journalisten im Ankunftsbereich.
Wartende Journalisten im Ankunftsbereich. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Auf Grund der Unruhen haben die Deutschen eine Lufthansa Maschine aus Tripolis genutzt um die Heimreise anzutreten.
Auf Grund der Unruhen haben die Deutschen eine Lufthansa Maschine aus Tripolis genutzt um die Heimreise anzutreten. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Interview mit einem Heimkehrer.
Interview mit einem Heimkehrer. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Ankommende Fluggäste aus Tripolis.
Ankommende Fluggäste aus Tripolis. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Ankunft von Siemens Mitarbeitern. Diese werden an einem extra Tisch in Empfang genommen.
Ankunft von Siemens Mitarbeitern. Diese werden an einem extra Tisch in Empfang genommen. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Ankunft des Fluges.
Ankunft des Fluges. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Herzlicher Empfang für Eva King-Leonhard am Gate.
Herzlicher Empfang für Eva King-Leonhard am Gate. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Die ankommenden Libyen-Rückkehrer werden von einem Pulk Journalisten empfangen.
Die ankommenden Libyen-Rückkehrer werden von einem Pulk Journalisten empfangen. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Heimkehr aus Tripolis.
Heimkehr aus Tripolis. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Empfang im Kamerameer.
Empfang im Kamerameer. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Walter und Norma Rosenau warten auf ihren Sohn Daniel (23) der am Ende doch nicht in der Maschine sitzt und sich aus Malta meldet.
Walter und Norma Rosenau warten auf ihren Sohn Daniel (23) der am Ende doch nicht in der Maschine sitzt und sich aus Malta meldet. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Walter (Foto) und Norma Rosenau warten auf ihren Sohn Daniel (23) der am Ende doch nicht in der Maschine sitzt und sich aus Malta meldet.
Walter (Foto) und Norma Rosenau warten auf ihren Sohn Daniel (23) der am Ende doch nicht in der Maschine sitzt und sich aus Malta meldet. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Interviews am Flughafen.
Interviews am Flughafen. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Ankunft.
Ankunft. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Warten auf die Maschine.
Warten auf die Maschine. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
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Daniel Rosenau ist am Ende nicht gekommen. Bis nach elf warten seine Eltern, spähen durch die Absperrung, ringen die Hände. „Kommt er auch?“, ruft der Vater immer wieder durch die Milchglaswand, wenn er meint, einen Kollegen zu erkennen. Dann klingelt sein Telefon. Daniel, ohne d en seine Mutter heute nicht nach Hause gehen wollte, ist mit einer Maschine der Bundeswehr aus Libyen ausgeflogen. Und gelandet auf Malta. Er sagt, er macht jetzt erstmal Urlaub.