Recklinghausen. Zwei Inszenierungen bei den Ruhrfestspielen um Leben und Traum, Dasein und Dichtung, Starkult und Kunstwillen. Oscar-Preisträger Maximilian Schell gibt August Strindberg und fragt "Lieben Sie Strindberg?" und aus dem "Traumspiel" wird ein Raumspiel.

Maximilian Schell als August Stindberg. (c) ddp
Maximilian Schell als August Stindberg. (c) ddp © ddp | ddp





Es beginnt mit einer unsanften Erdenlandung und endet mit einer Himmelfahrt. Dazwischen liegen Begegnungen mit allerlei gespaltenen Persönlichkeiten. Und mit einem Weltstar, der uns mit dieser unvergleichlich sonoren Stimme fragt: „Lieben Sie Strindberg?”

Eine irritierende Frage, will uns der zweiteilige Strindberg-Komplex, den Intendant Frank Hoffmann unter besonderer Mitwirkung von Oscar-Preisträger Maximilian Schell für die Ruhrfestspiele ausgerichtet hat, doch eher vermitteln, dass dieses grantelnde und grübelnde Wortgewitter, dieser rastlose schwedische Großdichter am ewigen Rande des Nervenzusammenbruchs vor allem ein Künstler war, der die Auseinandersetzung, die Analyse wert ist. Und Hoffmann, sonst eher ein Freund gefälliger Klassikerbebilderung und schnurgerader Regienaht, macht es dem Publikum dabei nicht leicht.

Dafür sorgt schon das Raumkonzept für das „Traumspiel”. Gespielt wird inmitten des Publikums, auf der Hinterbühne, zwischen nackten Wänden und einer Decke, die so weit weg scheint wie der Himmel, von dem Indras Tochter gesandt wird, um sich ein Bild von der Last des Daseins zu machen.

Taumelndes Treiben




Hoffmann markiert die innersten Bereiche einer zeitlosen Gesellschaft, in der emotionale Kälte und soziale Umbrüche ihre Spuren hinterlassen haben, mit sparsamen Zeichen. Aus dem Schloss ist ein schnödes Gittergerüst geworden, aus dem Traumspiel ein Raumspiel, bei dem das Publikum den Kopf recken muss und die Ohren spitzen, um den akustischen Überblendungen und dem Spiel zwischen Beleuchterpodest und Schürboden zu folgen. Ein taumelndes Treiben, bei dem Wolfram Koch als aasiger Advokat und Jacqueline Macaulay als Indras Kind den Mittelpunkt bilden. „Das Leben ist schwer, aber die Liebe besiegt alles”, denkt die Himmelstochter anfangs. Aber dann geht es ihr wie so vielen Erdlingen. Sie liebt den falschen Mann, bekommt ein Kind, wird erdrückt von Enge und Gewalt. Wenn der Traum nach zwei Stunden vorbei ist, hat man mal wieder Heidenrespekt vor dem Dramatiker Strindberg.

Leben und Traum

Ein Traumspiel. August Strindberg. Im Bild v.l.n.r: Jacqueline Macaulay, Ulrich Kuhlmann. © Jean Flammang/Ruhrfestspiele
Ein Traumspiel. August Strindberg. Im Bild v.l.n.r: Jacqueline Macaulay, Ulrich Kuhlmann. © Jean Flammang/Ruhrfestspiele © WAZ | WAZ





Zeit also, uns den Frauenfreund und Musikliebhaber, den Maler und Milchtrinker, den Naturalisten wie den Symbolisten näher zu bringen. Ingo Wazerka hat aus Zitaten, Daten und Musikeinspielungen eine Bühnen-Biographie gebastelt, die von der Präsenz des Großdarstellers Schell und seiner Strahlkraft der Stimme lebt. Dass sich der 78-jährige zum Bühnengastspiel hat überreden lassen, gilt als Sensation. Sein letzter Auftritt liegt drei Jahre zurück – an Kevin Spaceys Londoner Old Vic Theater. Die Grandezza, mit der Schell die Dichterfigur an sich zieht, aus Gesten, Gedankenschnipseln eine Strindberg-Statue formt, ist beeindruckend.

So geht an diesem Abend alles ineinander über – Leben und Traum, Dasein und Dichtung, Starkult und Kunstwillen. Auch wenn die beiden Stücke nicht gekoppelt sind, liegt der Reiz in ihrer Gegensätzlichkeit. Das Spröde und das Sinnliche, so wie es Strindberg gefallen hätte.