Washington. Die ehemalige Gouverneurin von Alaska und gescheiterte Vizepräsidentschafts-Kandidatin der Republikaner, Sarah Palin, legt ihre Memoiren vor. Und Amerika spielt verrückt. Mit 1,5 Millionen Vorbestellungen war ihr Schmöker bereits vor dem Erscheinen ein Topseller.
Eigentlich ist sie mit ihren 45 Jahren noch zu jung, um ihre Memoiren vorzulegen. Und richtig viel erlebt hat Sarah Palin in ihrem kurzen Leben eigentlich auch nicht, wenn man von jenem kurzem Moment absieht, der sie in den USA über Nacht ins nationale Rampenlicht katapultierte.
Zur Überraschung auch der eigenen Partei hatte der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain die bis dahin gänzlich unbekannte Sarah Palin aus dem abgelegen Alaska auf den letzten Metern seiner Wahlkampagne noch auf den Kandidatenschild der Vize-Präsidentin gehoben. Hätte McCain gewonnen, wäre Sarah Palin heute tatsächlich nur einen Herzschlag vom mächtigsten Amt der Welt entfernt. Doch die Wahl ging für die Republikaner bekanntlich krachend verloren. Sarah Palin wiederum hat ihre Chance genutzt. Seit Dienstag liegen ihre Erinnerungen jetzt in Amerikas Buchläden aus. Und seither muss man schon sehr isoliert zwischen Ost- und Westküste leben, um dem Wirbel rund ums Palins Abrechnung im Zorn mit dem McCain-Clan zu entgehen.
Ehemalige Schönheitskönigin
In diesen Tagen ist die frühere Schönheitskönigin, Ex-Bürgermeisterin eines 7000-Seelen-Kaffs und Ex-Gouverneurin von Alaska auf praktisch allen Kanälen präsent. Amerika spielt verrückt. „Es ist sinnlos, Palin ignorieren zu wollen, so sehr man sich auch anstrengt”, kapitulierte selbst die liberale Washington Post vor dem „Phänomen Palin, unserer kleinen Evita Peron”. Mit 1,5 Millionen Vorbestellungen war Palins gut 400 Seiten umfassender Schmöker „Going Rogue”, „Gegen den Strich”, schon vor dem Erscheinen der programmierte Top-Bestseller der Spätherbst-Buchsaison. Selbst eine gut gemachte Persiflage, in der Palin wiederum kräftig durch den Kakao gezogen wird, erschien zeitgleich mit ihrem Buch. Auf einer Lesereise tourt sie in den nächsten drei Wochen per Bus durch Kleinstädte in 14 eher ländlichen US-Bundesstaaten, um ihre Ansichten mit volkstümlichem Charme unters Volk zu bringen.
Pittbull mit Lippenstift
Die großen Damen der US-Talkshows, die Sarah Palin während des Wahlkampfes noch kühl ignoriert hatten, rollen ihr derweil den roten Teppich aus, um sie ins Fernsehstudio zu locken. Der „Pittbull mit Lippenstift”, so Palin über sich selbst, ist für Rekord-Quoten gut. Palin, die sich im Wahlkampf mit ihrer fröhlichen Inkompetenz und peinlichen Wissenslücken auf so ziemlich allen Politikfeldern grandios blamiert hatte, polarisiert wie eh und je. Man liebt oder hasst sie. Dazwischen gibt es nichts.
Über Nacht ist die glaubensstrenge Christin mit ihren Memoiren, die genauso schnörkellos geschrieben sind wie sie normalerweise redet, zur Millionärin geworden. Rund fünf Millionen Dollar wird ihr das Buch mit seinen bunten Bilderstrecken überdies in die Familienkasse spülen. Als Gouverneurin Alaskas hatte Palin vergleichsweise bescheidene 125000 Dollar im Jahr verdient. Doch dass es ihr um mehr geht, als nur Kasse zu machen und aus ihrem Ruhm als bodenständiges Nordlicht-Glamourgirl, das der Washingtoner Sumpf nicht verderben konnte, kräftig Kapital zu schlagen, ist offensichtlich. Mehr und mehr traut sich Sarah Palin aus der Deckung, beim nächsten Mal nicht mehr nur als dekorative Vizekandidatin, sondern dann als Nummer 1 der Konservativen ins Rennen um das Weiße Haus gehen zu wollen. „Ja, wenn mich die Leute haben wollen...”, kokettierte sie im Sender ABC.
Ein Angstschauer
Freilich: Nur neun Prozent der Amerikaner wünschen sich laut jüngsten Umfragen Sarah Palin tatsächlich auch im Weißen Haus. 60 Prozent jagt die Vorstellung eher Angstschauer über den Rücken. Mit Palin, die nach ihrem jähen Rücktritt als Gouverneurin im Sommer kein öffentliches Amt mehr bekleidet, wird dessen ungeachtet auch in Zukunft weiterhin zu rechnen sein, in welcher Funktion auch immer.