Bottrop.. Zu Gast in Bottrop, das als Innovation-City bis 2020 einen Großteil der Stadt zur Mustersiedlung machen will. Die wenig CO2 ausstößt, wenig Energie verbraucht. Ein Stück Ruhrgebiet, das ein grünes Beispiel gibt. Noch ist davon nicht viel zu sehen.

Auch die schönste Zukunft beginnt ja immer ganz gewöhnlich. Sie schleppen also Kisten, sie ziehen Strippen und ärgern sich, dass das Internet noch lahmt: Kurz-um, sie ziehen um. In einer kleinen Einkaufsgalerie dem Bottroper Bahnhof gegenüber bezieht die „Innovation-City“ großzügige Räume, es entsteht die Anlaufstelle für alle, die Rat suchen oder helfen wollen. „Wenn wir dann Licht haben, wird’s ganz schön“, sagt die städtische Projektleiterin Stefanie Hugot.

Bottrop geht ein Licht auf. Vor allen andern. Das ist „Innovation-City“: Kommune und Wirtschaft setzen an, bis zum Jahr 2020 aus einem großen Teil der Stadt eine Mustersiedlung zu machen. Die wenig CO2 ausstößt, wenig Energie verbraucht; und wenn, dann nur die gute. Ein Stück vom Ruhrgebiet, das ein grünes Beispiel gibt. Als wäre es so geplant: 2018 schließt hier Prosper-Haniel, Deutschlands dann letzte Zeche. Am morgigen Freitag ist die „Geberkonferenz“ der Beteiligten, und man darf gespannt sein, ob der Name Samstag noch stimmt. Und dann muss man noch die Hauseigentümer gewinnen, ohne sie geht gar nichts.

Beispiel Welheim. „Welheim ist eine neue Siedlung von 1951“, sagt die Rentnerin Alma Degen, die an dieser Stelle befragt wird, weil sie mitten im Projektgebiet lebt. Welheim ist Ruhrgebiet krass, ist Kokerei und Kläranlage, ist Siedlungsidylle und Autobahn, Emscher, Werksbahn – ist alles zugleich. Im allerschlimmsten Managerdeutsch heißt es in der Projektbeschreibung für die Welheimer Mark, man wolle zeigen, „wie eine Region für eine nachhaltige Zukunft aufgestellt werden kann“; eine furchtbare „Konstellation innovativer Bausteine“ haben sie auch noch reingeschrieben.

Draußen lauert der Spott

Klimafreundliches Bauen, Fernwärme, Nahversorgung wären die Stichworte für Welheim. Alma Degen sagt es so: „Man freut sich, wenn Bottrop wieder ein Vorzeigeprojekt ist.“ Gerade hier, in der kleinen Stadt mit dem komischen Namen. Castrop-Rauxels Seelenschwester. Draußen lauert immer der Spott: „Kommsse nach Bottrop/krisse auf’n Kopp dropp.“

„Ich kann jetzt sagen, ich komme aus Innovation-City“, sagt Thorsten Rath, Geschäftsführer des Ingenieurbüros „Gene“. Es ist spezialisiert auf Altlastensanierung und erneuerbare Energien und damit wie geschaffen für diesen Umbau. Schon Ende 2010 ging Rath auf die Stadt zu, „da habe ich offene Türen eingetreten“, sagt er in einer hübsch verrutschten Redewendung. Inzwischen nähert man sich tatsächlich an, eventuell wird das Büro ein Photovoltaik-Projekt übernehmen. „In Bottrop passiert jetzt was“, sagt der 39-Jährige: „Ich hab ein bisschen Aufbruchstimmung.“ Und das buchstäblich: Das Ingenieur-Büro zieht aus Essen nach Bottrop um.

Freilich sagt Rath auch: „Die Konzerne hätten längst 10 Millionen in die Hand nehmen und ein Projekt hinstellen müssen. Wo sehen Sie denn hier Innovation-City?“ Und schaut sich um auf dem Pferdemarkt, Bottrops zentralem Platz. Und? Nichts!

Ignoriert oder überrannt

So fragt sich mancher inzwischen: Ja, wo bleiben sie denn? Erkennbar hat Innovation-City das gleiche Problem wie die Bauausstellung der 90er-Jahre: Es gibt noch nichts zu sehen. Da wird mal ein erster Hybridbus eingesetzt. Ein Wettbewerb um die älteste Heizung gestartet – Gewinn ist: eine neue. Eine Solaranlage auf das Alpincenter gebaut. Solche Sachen halt. Vorspiel.

Wie die neuen Räume. Mitte September öffnen sie für die ratsuchende Hauseigentümerschaft: Welcher Heizkessel? Wo Darlehen? Was für Dämmung? Ob die Berater dann überrannt werden oder ignoriert, weiß noch niemand. „Das wird spannend, wie kommen wir an die Menschen heran“, sagt Stefanie Hugot, die Projektleiterin: „Ruhrgebietler können hart rechnen und Knackpunkte klar benennen.“ Jedenfalls sind die Büros hier transparent und einsehbar, die Schreibtische stehen an Scheiben, das soll Offenheit zeigen. Doch bei Hitze wird das kein Spaß hinterm Glas: Eine Klimaanlage gibt es nicht. Wenn’s der guten Sache dient ...

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