Rhade..
Der WDR war schon da, Sat1 hat sich angesagt und der, ja, Tourismus kommt auch in Schwung. Das neue Paar in den Rhader Wiesen festigt Dorstens Ruf als „Storchenhochburg”, den die Stadt bisher nur Werner und Luise zu verdanken hatte.
Während die Hervester Adebare fast Vertraute sind, weiß man von den Neuen im Norden nicht viel. Sind halt Zugezogene. Der eine ist strahlend weiß, der andere ein bisschen vergilbt. Das kommt vor bei Störchen, hat aber nix mit Schmuddel zu tun. Weil Federn nicht dreckig werden (der Familienvater fragt sich da, warum Kinder nicht gefiedert zur Welt kommen).
Einer, der vergilbte, hat als Küken einen Ring bekommen. Die schmuddelkrustige Nummer kann aber nur teilweise abgelesen werden. Sicher ist danach: Der Klappervogel ist kein Spross aus dem Hervester Gelege, berichtet Niels Ribbrock von der Biostation.
„Alte Paare verlassen ihr angestammtes Nest nur selten”
Weil Störche zwar Zugvögel, aber keine Umzugvögel sind, geht er davon aus, dass es sich um junge Tiere handelt. „Alte Paare verlassen ihr angestammtes Nest nur selten”, sagt der Fachmann. Rhade, der Storch bestätigt das, ist ein Dorf für junge Familien.
„Offizielle” Namen haben die beiden inzwischen auch: Ludger und Agnes sollen sie heißen. Nach Ludger Hessling und seiner Frau. Der Landwirt, im letzten Jahr verstorben, stellte die Wiese für den Nestmast zur Verfügung und hat das Projekt Storch nach Kräften unterstützt.
Wie in Hervest lenken auch hier die charakterstarken Vögel den Blick auf ein Naturreservat von seltener Güte. Die Rhader Wiesen. Unter Schutz seit über 20 Jahren. Mit 210 Hektar riesig und nach den Lippeauen Dorstens zweitgrößtes Naturschutzgebiet. Nirgends in der Stadt brüten so viele Kiebitze, erzählt Niels Ribbrock. Löffelenten gibt’s hier und Krickenten und den großen Brachvogel. Eine Schnepfe. Die größte Schnepfe sogar. Die scheu ist und gar nichts zu tun hat mit überkandidelten Castings-Show-Kandidatinnen.
Ein Gebiet mit Stärken
Die Rhader Wiesen. Ein Gebiet mit Stärken. Aber auch mit Potenzial. Feuchtwiesen sollen die Rhader Wiesen sein. Aber von feuchten Wiesen kann in weiten Teilen keine Rede sein, sagen Fachleute. Die Pflanzenwelt sei darum (noch) sehr langweilig. Vielleicht hilft der Storch, dieses zauberhafte Stück Natur weiter zu entwickeln.
Die Vögel lenken den Blick zugleich auf Rhade. Der Heimatverein freut sich, dass die Ansiedlung von Störchen nach sechs Jahren geklappt hat. Dass außerhalb registriert wird, „dass im Dorf etwas getan wird”, so Christoph Höller, Chef des Heimatvereins.
Wie das jetzt gehen soll mit den Störchen: Es gibt noch keinen Plan. Als die Nachricht raus war, dass da ein Klapperpaar siedelt, da kamen die Leute gucken. Viele Leute. „Da war schon Trubel”, sagt Höller. Das Gatter zur Storchenwiese ist zu und ein Schild bittet, Rücksicht zu nehmen.
Rücksicht nicht unbedingt auf die Störche. Denen macht die Neugier nichts. Störche siedeln gern in der Nähe von Menschen und sind einigermaßen stressfest. „Andere Tiere leiden stärker”, sagt Niels Ribbrock. Höller appelliert an Gatter-Gäste: „Mit dem Auto bis ans Nest fahren – das muss wirklich nicht sein.”
Das fröhliche Murmeln des Rhader Bach
Spätestens in ein paar Wochen, wenn wieder Rinder auf der Storchenweide stehen, ist’s sowieso vorbei mit dem allzu nahe rankommen. Wunderbar beobachten kann man die Tiere trotzdem. Und genießen. Den Blick in eine weite Landschaft und das fröhliche Murmeln des Rhader Bachs. Hier eine halbe Stunde Störche gucken ist Wellness pur.