Paris. Von einer, die auszog, sich auszuziehen: Vor 115 Jahren ließ in Paris die Bühnen-Schöne Mona alle Hüllen fallen. Heute erregt Dita von Teese im "Crazy Horse" die – nun ja, Gemüter. Eine Kulturgeschichte des Striptease.
Wer ins Bett geht, zieht sich aus. Mit Striptease hat das nichts zu tun. Sich gekonnt und verführerisch ausziehen, lästige Hüllen abzustreifen, ohne sich dabei zur Witzfigur zu machen, lässt sich indes lernen. Striptease-Schulen für Sie, aber auch Ihn gibt es längst wie Sand am Meer, zumal in Paris, der Stadt der Liebe und der Sünde, die mit dem Image des frivol Verruchten so erfolgreich kokettiert.
Hier erblickte der Schönheitstanz, wie der Striptease im prüden 50er-Jahre-Westdeutschland noch genannt wurde, die Bühnenbretter. In diesem März ist es genau 115 Jahre her, dass die schöne Mona, ein Künstlermodel, sich im Pariser Revue-Theater „Divan Fayonau” aus einer Champagnerlaune heraus ihrer Kleider auf der Bühne entledigte – und mit einer Geldstrafe von 100 Francs, damals ein kleines Vermögen, belegt wurde.
Doch der Trend zum Ausziehen ließ sich nicht mehr aufhalten – sehr zum Leidwesen der Pariser Revue-Tänzerinnen, die ihrem Publikum allenfalls den Blick auf zwei Zentimeter nackten Oberschenkels gestattet hatten. Wer fortan noch mithalten wollte, musste Hemmungen und Kleider über Bord werfen.
Leid der Revue-Tänzerin
Heute schraubt Dita von Teese den Ausziehakt wieder in künstlerische Höhen. 29 Vorstellungen vor ausverkauftem Reihen in nur zwei Wochen hat die Striptease-Ikone aus den USA gerade im Pariser „Crazy Horse” absolviert. Am Ende bleiben Rückenschmerzen, scherzte sie neckisch nach diesem Auszieh-Marathon, dem eine zweite Staffel in diesem März folgt. Meilenweit waren diese glamourösen Burlesque-Vorstellungen, eine Spielart des Striptease, bei dem das ironische Augenzwinkern nicht fehlt, von den armseligen Darbietungen in schummerigen Kabuffs entfernt, in denen sichtlich gelangweilte Damen ihrem Auszieh-Job nachgehen – vor den hungrigen Augen einsamer Männer. Das Pariser Pigalle-Viertel hat darin einiges zu bieten. Dort riecht es heute nach abgestandenem Bier und längst nicht mehr nach prickelndem Champagner.
Der Striptease hat im Laufe der letzten 115 Jahre an Ruf verloren, ist gewöhnlich geworden in einer Zeit, in der Bilder nackter Frauen und Männer in allen nur denkbaren Stellungen längst überall verfügbar sind. Vorbei die Zeiten einer Mata Hari, die ihre transparenten Schleier noch so geschickt einzusetzen wusste, dass ihren Opfern der Schweiß ausbrach und sie Gott und Vaterland verrieten. Mit Demi Moore ein paar Jahrzehnte später hatten die meisten Zuschauer dann nur noch Mitleid, als sich die US-Schauspielerin in ihrem Striptease-Film eher ungelenk enthüllte. Sechs goldene Himbeeren für einen der schlechtesten Filme des Jahrzehnts waren die Ernte. Merke: Mit nackter Haut und steifer Tänzelei allein ist heute kein Strip-Ruhm mehr zu scheffeln. Dass der Striptease indes einen Ruf zu verteidigen hat, steht außer Frage.
David und Cathy Guetta, das exzentrische Prinzenpaar des Pariser Nachtlebens seit gut 15 Jahren, haben ihm im „Pink Paradise” unweit der Champs-Elysées eine rosarote Bühne geschaffen. Das Comeback des Edel-Striptease an seinen Geburtsort ist kein billiges Vergnügen. 200 Euro kostet ein Tisch, der den Blick frei gibt auf üppige Silikon-Polster. Striptease der gehobenen Sorte, für Kreditkartenbesitzer ab Premium und Gold.
Ein Vergnügen der Reichen und Mächtigen war er freilich schon immer. Salome, die biblische Stripperin, tanzte vor König Herodes. Mata Hari tanzte im Salon der Rothschilds. Im „Crazy Horse”, wo effektvolle Lichtspiele die nackten Tänzerinnen in Szene setzen, gibt sich betuchte Prominenz die Klinke in die Hand. Ein Breschnew-Sohn wiederum kam lieber inkognito. Im prüden Sowjet-Moskau waren derlei Lustbarkeiten nicht gern gesehen.
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