Der zweite Goldene Löwe für den Starregisseur innerhalb kürzester Zeit. Zeitung kommentiert verärgert: "China zeichnet China aus"
Venedig. Ang Lee, der erfolgsverwöhnte Starregisseur, kam beinahe verspätet zur Abschlussgala. Als er dann zum zweiten Mal den Goldenen Löwen in den Händen hielt, war er beinahe sprachlos.
"Ich habe Glück hier in Venedig, das ist ein guter Ort für mich." Einige Journalisten bedachten ihn mit Pfiffen. "Ich hoffe, dass Zhang Yimou immer Jury-Präsident bleibt", versuchte der aus Taiwan stammende Ang Lee zu scherzen. "China zeichnet China aus", kommentierte die römische Zeitung "La Repubblica" bitter. Weder Kritiker noch Publikum hatten sich für Ang Lees Spionage-Drama aus dem besetzten China im Zweiten Weltkrieg "Lust, Caution" (deutscher Titel: "Gefahr und Begierde") begeistern können. Einen "erotischen Thriller", nannte es der Regisseur. Hart an der Grenze zur Pornografie, meinten Kritiker. Im Gegensatz zu "Brokeback Mountain" vor zwei Jahren. Damals überraschte Ang Lee die Kinowelt mit dem Drama über zwei schwule Cowboys. Diesmal bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Die Mailänder Zeitung "Corriere della Sera" erregt den bösen Verdacht, "vielleicht ist es ja kein Zufall", dass Ang Lee und Jury-Präsident Zhang Yimou dieselbe Produktionsfirma hätten.
Zhang Yimou weist alle Verdächtigungen von sich. Neun Stunden lang soll die Jury getagt. Manche argwöhnen, dass die Jury nur mit Regisseuren (ohne Kritiker) besetzt gewesen sei, habe sie noch unberechenbarer als sonst gemacht. Immerhin ist es bereits der dritte Goldene Löwe hintereinander für einen chinesischen Künstler: Im letzten Jahr wurde der 35-jährige Jia Zhang-Ke für "Still Life" geehrt - auch das war arg umstritten. Tatsächlich hatten Kritiker und Publikum andere Favoriten, einer davon war das Irakkriegs-Drama "Redacted" des Hollywood-Regisseurs Brian De Palma. Der erhielt den Silbernen Löwen.