Essen. Vier internationale Künstler können jetzt ihre Kunstinseln in Essen auf der Ruhr und dem Baldenysee realisieren. Der Energiekonzern RWE macht das im Rahmen seiner Sponsorentätigkeit möglich. Geplant waren acht Atolle
Wasser, Wind und Sonne sind zwar (noch) nicht die Hauptressourcen, aus denen RWE Kraft zieht. Aber wenn sich ein gewichtiger Energiekonzern vom Schlage dieses Essener Global Players als ein Hauptsponsor für die Kulturhauptstadt stark macht, darf das regenerative Moment nicht zu kurz kommen.
So fasst RWE dann auch seine Projekte unter der schönen Bezeichnung „EnergieKulturRuhr” zusammen und macht damit, auch was die Summe von 2,5 Millionen Euro angeht, seinem vor einiger Zeit eingeführten Werbespruch „VORWEG GEHEN” Ehre. Wären einige andere als die drei großen – ab morgen sind es offiziell sogar vier – Hauptsponsoren bereits früher vorweg gegangen, die 2010-Macher Fritz Pleitgen und Oliver Scheytt hätten einige (Geld-) Sorgen weniger.
Größte Bühne für die Inseln der Kunst
Nun liegt das vom Energie-Riesen ermöglichte Leuchtturm-Projekt für 2010 sogar auf der Ruhr. „Ruhr-Atolle”: Enger kann die Verbindung von Wasser, Wind und Sonne kaum sein. Und wenn 2010 dann sogar der Welt Wasserstoff-Kongress in der Metropole der „Metropole Ruhr” stattfindet, Nobelpreisträger der Bereiche Physik oder Biologie ins Ruhrland geholt werden sollen und RWE seine Aktivitäten über seine Energie-Töchter von Dortmund („U”) über Hamm (Lichtkunst) und Recklinghausen (ein Jugend-Musical in Kooperation mit den Ruhrfestspielen) bis Mülheim bündelt, wird die Region vor Kultur-Energie strotzen. Spektakulär dürfte auch die Ausstellung „A star is born” in Essens neuem Museum Folkwang sein. Eine große Schau zu Thema Rock und Fotografie seit Elvis Presley. Die größte Bühne wird jedoch mit Sicherheit der Essener Baldeneysee sein. Unmittelbar vor und hinter dem Stauwehr werden 2010 „Ruhr-Atolle” schwimmen. Dank des Sponsors ist es immerhin möglich, vier von ursprünglich geplanten acht Projekten in „trockene Tücher” zu bekommen. Spannende Auseinandersetzungen mit der Formel „Kunst ist Energie – Energie ist Bewegung”, wie es Projektkurator Norbert Bauer formulierte.
Zunächst sind das vier künstliche Inselchen, geschaffen von Teams aus Künstlern und Wissenschaftlern. Darunter Ilya und Emilia Kabakov, die bereits mit dem „Palace of Projects” auf Essens Welterbe Zollverein Aufsehen erregten. Zu einem westöstlichen Dialog auf der gemeinsamen Basis der Ökologie will der Japaner Kazuo Katase anregen. Derzeit entsteht seine Doppel-Insel mit Teehaus, daran angedockt ein quadratisches Eiland mit Pflanzenkästen. Eine solarbetriebene Pumpe garantiert einen stetigen Wasserkreislauf zwischen beiden Teilen. Dem kryptischen Titel „Frosch und Teemeister” wird man besser im nächsten Jahr an Ort und Stelle nachspüren.
Auch Andreas Kaiser und der Physiker Lars Lindemann, die von ihrem „Iceberg” auf der Ruhr eine direkte Webcam-Verbindung zur Forschungsstation Neumayer III in die Antarktis haben oder Andreas Kaufmann und Hans Reck, die mit ihrem scheinbar auf Baldeney-Grund gelaufenen „U-Boot” an internationales Konfliktpotenzial erinnern, können ihre Projekte nun verwirklichen.
Ob die „Ruhr-Atolle”, die sich vom „Logenplatz” des Essener Stauwehrs sicher am besten beobachten lassen, den Sport- und Freizeitverkehr auf Fluss und See beeinträchtigen? Schwer zu sagen. Aber geschicktes Navigieren ist doch auch eine Kunst.
„Die Fahrrinne bleibt frei”
Kunstinseln ragen ins Revier der Wassersportler und Freizeitkapitäne
Segler, Ruderer, Angler – der Baldeneysee ist im Sommer ein unübersichtliches Revier. Zumal sich nicht alle an die Fahrtordnung halten, die hier Ampeln und Fahrbahnen ersetzt. Wie zwischen Backbord und Steuerbord noch „Ruhr-Atolle” passen sollten, war den Vereinen am Ufer des 15 Kilometer langen Gewässers schwer zu vermitteln.
Erste Überlegungen zu dem ambitionierten Kunst-Projekt scheiterten am Wunsch nach Ruhe der Angelfreunde des oberen Baldeneysees. Am unteren wiederum kreuzen Ruderer und Segler. Georg Romhanyi, Organisator der internationalen Hügel-Ruderregatta, ist erleichtert, dass die Kunstinseln „weit genug weg sind von der Ziellinie”. Sonst gingen die Recken, die sich mit dem Rücken in Fahrtrichtung bewegen, leicht auf Kollisionskurs. Günter Vogt, Mit-Organisator der Essener Segelwoche, hofft ebenfalls, dass sich Kultur und Sport nicht zu nah kommen. Essens Verkehrs-AG, Betreiberin der „Weißen Flotte”, will die Atolle als Attraktion nutzen, erklärte aber: „Die Fahrrinne bleibt frei.” Die vom Künstler angefragte Verlegung eines Anlegestegs wurde abschlägig beschieden. Sie hätte 80 000 Euro gekostet.
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