Dortmund.
Wer als Kind oder Jugendlicher psychische Probleme hat und professionelle Hilfe braucht, hat es besser, wenn er in Bielefeld lebt. Dort nämlich müssen Betroffene nur etwa sechs Wochen auf einen Termin bei einem Therapeuten warten. In Gelsenkirchen sind es 27 Wochen, im Kreis Olpe gar mehr 33.
Die Psychotherapeutenkammer spricht angesichts dieser Zahlen von einem Skandal. Zu Recht. Die Ungleichbehandlung psychisch kranker Menschen auf dem Land und im Ruhrgebiet muss dringend korrigiert werden, ganz egal, was die Zahlen auf dem Papier sagen. Denn der Bedarf ist eindeutig höher als das, was die Planung vorgibt; das wissen alle betroffenen Eltern, die schon einmal verzweifelt versucht haben, einen Platz zu bekommen.
Genügend Therapieplätze sind eine gesellschaftliche Verantwortung
Man mag darüber spekulieren, was die Gründe dafür sind, dass offenbar immer mehr Menschen therapeutische Hilfe benötigen. Zum einen spielt sicherlich eine Rolle, dass wir mit dem Thema heute – zum Glück ! – offener umgehen und eine Psychotherapie nicht mehr als Makel empfinden.
Doch auch die Veränderungen in der Gesellschaft selbst haben Spuren hinterlassen: Wenn Familien zerrüttet sind, wenn Eltern keine Zeit mehr haben, wenn der Druck in der Schule steigt und sich Mädchen und Jungen lieber in ihre Computerwelt zurückziehen, kann das nicht ohne Auswirkungen bleiben. Das heißt nicht, dass jedes Kind automatisch depressiv, verhaltensauffällig oder gewalttätig wird. Aber es heißt, dass die Gesellschaft darauf vorbereitet sein muss. Und dass sie die Verantwortung dafür hat, alles dafür zu tun, damit sich jene Probleme nicht weiter verfestigen. Ausreichend Therapieplätze zu schaffen – erst recht für Kinder – gehört dazu.