Kein Kreuz in öffentlichen Gebäuden. Die Religionsfreiheit im Grundgesetz sichert dem Bürger zu, dass er frei über seinen Glauben bestimmen kann. Daher wäre es inkonsequent, würde der Staat über das Kreuz eine Religion bevorzugen. Allerdings müssen Bürger ihren Glauben offener leben können.
In öffentlichen Gebäuden wie Schulen, Gerichten oder Polizeibehörden hat ein Kreuz nichts zu suchen. Der Staat muss weltanschaulich neutral sein. Er muss allen Bürgern – gleich welcher Nation und Religion – eine Heimat bieten. Und dazu gehört, im 21. Jahrhundert, mitten im vereinten Europa, dass ein demokratischer Staat keine Religion bevorzugt. Das gilt vor Gericht, wo Straftaten nicht länger mit der Religion oder der Kultur entschuldigt werden dürfen. Das gilt aber selbstverständlich auch für religiöse Symbole im öffentlichen Raum.
Es geht bei dieser Diskussion nicht darum, vor der vermeintlichen Ausbreitung des Islam einzuknicken. Auch Atheisten, die möglicherweise jahrelang Mitglied einer christlichen Kirche waren, haben einen Anspruch darauf, auf staatliche Einrichtungen zu treffen, die lediglich ihrer Funktion und Aufgabe nachkommen. Das gilt besonders für Orte, an denen sich nur die wenigsten Bürger freiwillig aufhalten, zum Beispiel im Gericht. Auch Schülern ist der Aufenthalt in einem Klassenraum nur selten freigestellt.
Religionsfreiheit ist ein hohes Gut im Grundgesetz
Im Grundgesetz ist verbrieft, dass jeder Mensch das Recht auf Religionsfreiheit hat. Und die Verfassung bezieht sich immer auf das Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Das heißt: Der Staat darf dem Bürger nicht hereinreden in dessen Art der Religionsausübung, jedenfalls so lange nicht, wie der Bürger damit keine anderen Verfassungswerte verletzt. Aber genauso wenig, bitte schön, darf der Staat einem Bürger über das Kreuz als christliches Symbol eine bestimmte Religion vorsetzen.
Wo sich der Staat also sehr zurückhalten sollte, kann der Bürger umso mehr auftrumpfen. Er hat das Recht, sich für eine Religion zu entscheiden und sie auch zu leben. Über religiöse Symbole am Körper, öffentliches Beten oder die engagierte öffentliche Arbeit für eine Kirche, Synagoge oder Moschee. Über das Kopftuch muslimischer Mädchen und Frauen muss dabei separat diskutiert werden. Man kann es ohne Frage als politisches Symbol werten, dann aber verstößt es gegen den Verfassungsgrundsatz der Gleichheit von Mann und Frau – und hat im öffentlichen Raum nichts zu suchen.
Bürger darf seinen Glauben intensiv ausleben
Religionsfreiheit bleibt ein frommer Wunsch, wenn zwar ein Wille, aber keine Möglichkeit besteht, den Glauben zu leben. So hat ein Berliner Gericht 2009 entschieden, dass ein Muslim in der Pause gen Mekka beten darf, wenn dadurch der Unterricht nicht beeinträchtigt wird. Eine absolut korrekte Entscheidung. Wenn eine Vielzahl oder gar die Mehrheit von Bürgern ihren Glauben in ihren Tagesablauf integrieren will, muss der demokratische Staat es möglich machen. Dazu gehören in Schulen dann auch das Angebot für freiwillige Schulgebete, ein Raum der Stille oder religiöse Feiern.
Bleibt die Frage, ob Schulen weiterhin Religionsunterricht anbieten sollen. Kritiker führen immer wieder an, dass Religion Privatsache ist und die Unterweisung am Nachmittag in der Kirche oder in der Moschee erfolgen soll. Klar ist: Der Staat muss sicherstellen, dass nahezu alle Religionen zu ihrem Recht kommen – das schließt zum Beispiel Islamunterricht in deutscher Sprache oder Ethik für Nichtgläubige ein. Allerdings bleibt Religionsfreiheit ebenso eine Luftnummer, wenn Kinder und Jugendliche gar nicht in die Lage versetzt werden, glauben zu können – weil ihnen das Wissen und die Überlieferung fehlen. Und da ist jeder staatliche Religionsunterricht, der auf wissenschaftlicher Grundlage neben Glaubensfragen auch viele Fakten vermittelt, jedem ideologischen Unterricht bei verbohrten Pfarrern oder in Hinterhof-Moscheen vorzuziehen.