Hamm..
63 Grad. Das könnte die ideale Betriebstemperatur für die Menschheit sein. Bei 63 Grad rückt sie zusammen, ist nett zueinander, schwitzt für dieselbe Sache. So geschehen am Donnerstag in Hamm, wo Menschen aus 91 Nationen den Weltrekord im multikulturellen Saunieren aufstellten.
Joel Mafuta aus Kinshasa in der Demokratischen Republik Kongo hat nie zuvor in einer Sauna gesessen. Seit 2002 lebt er in Deutschland, ist jetzt Lagerarbeiter in Bönen. Die Spätschicht wartet noch auf ihn, aber Mafuta hat an diesem Morgen eine Mission: „Ich fühle mich in Deutschland gut aufgenommen. Ich finde es wichtig, dass Menschen aus aller Welt gut miteinander umgehen. Deshalb bin ich hier“, sagt er. In Hamm wird an diesem Morgen nämlich ein Zeichen für die Völkerfreundschaft gesetzt. Es hat mit Nähe und Wärme zu tun. Lagerarbeiter Mafuta wird sich mit Menschen aus aller Welt in eine Sauna stapeln.
Christian Fecke vom Hammer Bad „Maximare“ hat mächtig Stress. Aber innerlich glüht Fecke, der Motor des Weltrekordversuchs, schon vor Freude. Glücklich betrachtet er die bunte Schlange am Meldeschalter. Menschen aller Hautfarben, Menschen aus 70, 80, 90 Nationen legen dort ihre Pässe vor und bekommen ein Sauna-Shirt mit ihrer Landesfahne ausgehändigt. „Selbst Bhutan und Fidschi sind da, unfassbar“ findet Fecke, „Algerien kommt noch von der Nachtschicht. Der Senegal will um 10.57 Uhr vom Hauptbahnhof mit einem Taxi eintreffen.“ Um 11 Uhr aber wird schon sauniert.
Menschen aus 76 Nationen hatten sich ein Jahr zuvor in eine finnische Sauna gepfercht und waren dafür ins Guinness Buch der Rekorde eingetragen worden. Als Mitarbeiter des Hammer Spaßbades davon Wind bekamen, schworen sie sich: Das toppen wir. Die Basis war da. „In Hamm leben Menschen aus 129 Nationen“, erklärt Bürgermeisterin Ulrike Wäsche. Und in Zeiten einer aufgeheizten Integrationsdebatte in Deutschland passte ein multikultureller Weltrekordversuch natürlich exzellent in die große Hammer Saunalandschaft. Die Organisatoren zogen alle Melderegister, schrieben Briefe, baten den Integrationsrat der Stadt um Hilfe. Und so standen sie am Donnerstag gemeinsam in der Schlange, Inga aus Lettland, Uralbek aus Kirgisistan, Omar aus Marokko und Isabel aus Spanien. Bereit, Hamm einen Tag lang als echte Weltstadt glänzen zu lassen.
11 Uhr. Saunazeit. Fecke spürt jetzt den heißen Atem der Geschichte. „Auf den Senegal warten wir nicht mehr“, legt er fest. Die Deutsche Bahn hatte wohl Verspätung. Menschen aus 91 Nationen drängen sich in die Sauna. USA begrüßt England per Handschlag. Kanada hat ein eigenes Sauna-Handtuch mit Ahornblatt dabei. Albanien trägt Albanischrot mit einem Adler auf der Brust. Saunameister Axel Woldt heizt auf. „Die 63 Grad sind eine Durchschnittstemperatur“, erklärt er. „Oben haben wir 85 Grad. Unten viel weniger. Da sitzen die Sauna-Neulinge.“
Fünf Minuten muss die Sauna-Weltauswahl zusammenhalten, dann gilt der Rekord. Ein Klacks für die meisten. Nur Nana, dem einjährigen Sohn von Janet Tiepko aus Ghana, mag die Zeit lang vorgekommen sein. Mama ist mit lauter Fremden in diesem seltsamen, runden Haus verschwunden. Eine deutsche Freundin passt auf Nana auf.
Als draußen ein Schiedsrichter pfeift, brandet drinnen Jubel auf. Der Rekord ist geknackt. Christian Fecke kann jetzt Fotos und alle eingescannten Pässe zu Guinness nach London schicken. Er hofft, dass in einer Woche die Eintragung ins Buch der Weltrekorde amtlich ist.
Im Sauna-Foyer geht eine Party los. Ein DJ von der Elfenbeinküste legt auf, Ayari aus Tunesien tanzt den Moonwalk, Albanien führt eine Polonaise an. Maike Lukow hat Gänsehaut, aber nicht, weil sie friert. Sie ist „ein bisschen gerührt.“ Sie hat für Deutschland in der Sauna gesessen. Innerlich hat Maike wohl noch 63 Grad Betriebstemperatur, als sie ihr persönliches Schlusswort spricht: „So nette Leute, alle durch die Bank. Die gehören doch alle zusammen.“