Am Donnerstag feiert der vielleicht größte aller Rock-Gitarristen seinen 65. Geburtstag. Ein Wunder, wenn man den wilden Geschichten glauben kann, die sich um die Rolling Stones ranken
Essen. Sein Publikum begrüßt der Jubilar gern mit dem Spruch: "Es ist gut, hier zu sein. Eigentlich ist es gut, überhaupt noch da zu sein", und damit hat Keith Richards eigentlich schon die Frage aller Fragen angesprochen. Dass einer wie Keith noch auf einer Bühne steht, grenzt an ein Wunder. Dass er jetzt sogar den 65. Geburtstag feiert, muss uns sein Arzt noch erklären.
Glaubt man nur einem Teil der Geschichten, die sich um das Leben des vielleicht größten aller Rock-Gitarristen ranken, kann es sich bei dem Modell, das grinsend durch die Welt tourt, nur um eine Kopie handeln. Nehmen wir mal die Legende von der Spezialklinik in der Schweiz, in der dem jungen Keith angeblich einmal im Jahr das Heroin durch frisches Blut ersetzt wurde. Wird immer noch erzählt, gern auch vom Meister selbst, der sich die Zeit allerdings schon immer gern mit der Verbreitung von Unfug vertrieb.
So kursieren auch jüngere Anekdoten in mehreren Versionen. Der Sturz von der Palme, den die Fans in den Konzerten zuletzt mit aufblasbaren Baum-Attrappen feierten, ging angeblich auf ein Wettklettern mit Ronnie Wood zurück. War vielleicht aber auch nur ein unsanfter Zusammenstoß mit widerborstigem Unterholz. Und die Geschichte von der Asche seines Vaters, die er angeblich vermischt mit Gras im Pfeifchen rauchte, erzählt Keith ganz nach Laune in der Originalversion, oder er dementiert sie schroff, oder er behauptet, die Asche sei gar nicht mit Drogen vermischt gewesen und dennoch in Rauch aufgegangen. Kann man sich aussuchen.
Wer ein halbes Jahrhundert bei den Stones ist, genießt eben einige Freiheiten, kann sich auf der anderen Seite auch nicht mehr an alles so richtig erinnern.
Hat Keith also wirklich schon im Bubenalter den Papagei im Zoo von Dartford mit Drogen gefüttert? Oder ist auch das eine der Mythen, mit denen das Unternehmen "Rolling Stones" das Bild des ungebärdigen Rebells aufputzt?
Es gibt nämlich auch andere Anekdoten. Etwa die von dem Reporter, der während eines Interviews in einem unbeobachteten Augenblick am Whiskyglas des Gastgebers nippt, wie immer strategisch aufgebaut neben der Flasche mit der Lieblingsmarke "Rebell Yell" - und Tee entdeckt. Weiß man allerdings auch nicht, ob das so stimmt.
Oder die Meldung vom häuslichen Unfall, die vor ein paar Jahren um die Welt kreiste. Die Knochen gebrochen beim Sturz von der Leiter, in der Hausbibliothek!? Unser "Keef"? Liest Bücher? Hat sogar eine eigene Bibliothek? Wie cool ist das denn, fragt man sich und spürt die Vermutung keimen, dass dieser Keith Richards weit mehr ist als nur die Vorlage für eine Piraten-Parodie (die Johnny Depp allerdings perfekt auf die Leinwand bringt, mit leicht schwankendem Gang und verhuschten Konsonanten).
Was Keith Richards nämlich auch ist: Ein liebevoller Familienvater. Verheiratet seit 25 Jahren mit Patti Hansen, drei Töchter, ein Sohn. Ein profunder Kenner der populären Musik. Und ein melancholischer Beobachter der Szene, die sich seit seinen ersten Auftritten mit den Rolling Stones im Station Hotel des Londoner Vororts Richmond gründlich verändert hat.
Dass sich auch Keith verändern könnte, ist dagegen nicht im Plan vorgesehen. "Meine Vergangenheit schleppe ich wie einen langen Schatten mit mir rum", klagte er schon vor mehr als zehn Jahren mit Resignation in der Stimme, "die Leute wollen eben immer noch glauben, dass ich ein verrückter Junkie bin."
Sei´s drum. Irgendwann werden wir auch die letzte Wahrheit über Keith Richards erfahren, die Story hinter den Klischees. Vielleicht kommt das aber erst ans Licht, wenn er stirbt. Falls er stirbt.