Köln. Hella von Sinnen lässt sich zu ihrem 50. Geburtstag feiern, will nicht als dicke Ulknudel abgestempelt werden und sieht lieber Arte als Privatfernsehen.

Rund, bunt und laut: Seit Hella von Sinnen mit der Show „Alles nichts oder?!“ Ende der 80er Jahre Fernsehgeschichte schrieb, haftet ihr das Etikett als schrille Spaßmacherin an. Die exaltierte Entertainerin, die mit bürgerlichem Namen Hella Kemper heißt und mit ihrer Lebensgefährtin Cornelia Scheel in Köln lebt, trat seitdem vornehmlich als Stimmungsbombe auf – obwohl sie ursprünglich Schauspielerin werden wollte. Sat.1 wünscht nun zum 50. Geburtstag: „Happy Birthday, Hella!” (21.15 Uhr), vorab sprach Cornelia Wystrichowski mit ihr.


Wie fühlt man sich, wenn man als Geburtstagsgeschenk zum 50. eine große TV-Gala bekommt?

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Hella von Sinnen: Nach Otto bin ich glaube ich die erste im deutschen Privatfernsehen, der eine solche Ehre zuteil wird, ich war absolut geschmeichelt. Ich finde es ja per se außergewöhnlich, dass sich eine übergewichtige lesbische Frau 20 Jahre in der ersten Liga der TV-Unterhaltung halten kann. In diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten dann auch noch so eine Show zu bekommen, die bestimmt nicht billig war, das hat mich geradezu beschämt. Die hatten das fast ein Jahr für mich geplant und niemand hat mir Details verraten, von daher war meine Neugier, wer kommen würde, riesengroß.


Was waren für Sie die bewegendsten Momente in der Show?


Hella von Sinnen: Am meisten hat mich das Urmel bewegt, das mir zusammen mit dem Kasper ein kleines Ständchen gesungen hat. Sehr gerührt hat mich auch, dass die Redaktion über meinen Bruder Torsten alte Super-8-Filme organisiert hat, auf denen die kleine Helli mit fünf oder sechs unter dem Christbaum sitzt. Die Erwachsenen sagten ja früher immer: „Kinder wie die Zeit vergeht.” Man wusste dann gar nicht, worüber die eigentlich sprechen. Wenn man selber erwachsen ist, denkt man: Gott, das darf doch nicht wahr sein, wie die Zeit rast, du warst doch gerade vorgestern noch Schlitten fahren.


Wenn wir schon beim Thema Bilanz ziehen sind: Sie waren bei den Anfängen des Privatfernsehens vor 20 Jahren dabei. Was hat sich seit damals geändert?


Hella von Sinnen: Was hat sich geändert? Ich weiß es gar nicht, weil ich so viel Privatfernsehen eigentlich nicht gucke.


Sie arbeiten fürs Privatfernsehen, aber Sie schauen sich Sachen wie „Deutschland sucht den Superstar“ nicht an?


Hella von Sinnen: Im Privatfernsehen ist „TV total“ im Grunde die einzige Sendung, die ich regelmäßig sehe – ich mag vieles von dem, was Stefan Raab macht. Ansonsten schaue ich lieber Arte, 3sat und WDR. „Deutschland sucht den Superstar“ gucke ich wirklich konsequent nicht, da bin ich fast hysterisch im Wegzappen, ich kann es gar nicht ertragen. Das hat zwar irre Einschaltquoten, und das heißt natürlich, dass der Sender einen guten Job macht. Ich finde aber, dass unter dem Druck der Quote die Sender, übrigens auch die öffentlich-rechtlichen, nicht genug Mut haben, Neues auszuprobieren. Vieles wird einfach abgesetzt, statt dass man die Leute machen lässt und einen langen Atem beweist. Das finde ich persönlich sehr schade, denn da gehen uns wahrscheinlich viele Talente durch die Lappen, die mehr Zeit bräuchten, um sich auszuprobieren.


War Ihre legendäre Show „Alles nichts oder?!“ aus der Flegelzeit des Privatfernsehens denn wirklich besser als das, was heute läuft?





Hella von Sinnen: Wenn man bedenkt, dass das so viele Jahre her ist, haben wir doch einen schönen kleinen anarchischen Grundstein gelegt. Als ich damals bei RTL angefangen habe, hat die Quote auch noch gar keine so große Rolle gespielt wie heute, da durften wir wirklich machen, was wir wollen. Von der Originalität her kommt da heute glaube ich nur die WDR-Sendung „Zimmer frei“ mit.


Wie bewerten Sie aus heutiger Sicht die damalige Zeit? Bedauern Sie es, dass Sie rasch in die Schublade als laut und schrill gesteckt wurden?


Hella von Sinnen: Ich bin durch „Alles nichts oder?!“ definitiv in einer Schublade gelandet. Die Leute sind erschrocken über mein Anderssein, das Übergewichtige, Raumgreifende, sehr Laute, sehr Dominante. Das hat vielen Angst eingejagt, nicht zuletzt den Männern vom Feuilleton, und die Tatsache, dass ich eigentlich als Schauspielerin angefangen habe, hat niemanden mehr interessiert. Deshalb ist meine Karriere als Schauspielerin ein bisschen hintenüber gekippt. Mittlerweile haben sich die Wellen gelegt, und die Menschen haben dank „Genial daneben“ gemerkt, dass ich noch was anderes in der Birne habe als „Chaka Chaka“ rufen und mit Torten werfen. Auch meine Homosexualität ist jetzt nicht mehr Thema Nummer eins. Von daher denke ich, dass ich sehr gelassen abwarten kann, was an Herausforderungen auf mich zukommt, und da ich im Alter auf jeden Fall immer besser werde, bin ich bereit für die schönsten Fernseh- und Kinorollen.


Aber zurzeit sieht man Sie nicht sonderlich oft im Fernsehen, sondern fast nur in „Genial daneben“. Doch keine Lust mehr?


Hella von Sinnen: Das liegt eher daran, dass ich in jeder Sendung, die es gibt, schon mal war. Wo soll ich denn noch hingehen? Ich müsste mal wieder eine eigene Sendung machen, aber dafür habe ich im Moment gar keine Zeit. Ich arbeite erst mal an meinem Büchlein, das im Oktober zum 75. Geburtstag von Donald Duck veröffentlicht wird und für das ich einige meiner liebsten Geschichten zusammenstelle.


Außerdem sollen Sie eine Kunstausstellung mit Handyfotos vorbereiten . . .


Hella von Sinnen: Ja, das habe ich vor. Ich bin ja als sogenannte Prominente Opfer von Handyfotos, was ich unmöglich finde. Aber ich fotografiere zurück – das wiederum finde ich einfach lustig. Ich fotografiere alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, und deshalb will ich eine Ausstellung machen und werde dann einfach behaupten: Wenn ein deutscher Fernsehstar eigene Handyfotos veröffentlicht, dann muss das einfach Kunst sein.


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