Düsseldorf. Nach dem Scheitern des Schulgipfels im Juni haben Rot-Grün und CDU im NRW-Landtag einen Konsens vereinbart. Statt einer Gemeinschafts- oder Verbundschule planen die Parteien eine „Sekundarschule“. Sie betonen: Keine Schulform werde abgeschafft.
Die rot-grüne Minderheitskoalition in Nordrhein-Westfalen hat sich mit der CDU-Opposition auf einen Schulkonsens geeinigt. Die CDU-Landtagsfraktion stimmte der Einigung am Dienstag einstimmig bei zwei Enthaltungen zu.
Das neue Schulmodell von Rot-Grün und CDU soll eine „Sekundarschule“ sein, die die bestehenden Schulformen ergänzen soll. Dies teilten Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne), CDU-Landeschef Norbert Röttgen und der CDU-Fraktionsvorsitzende Karl-Josef Laumann in Düsseldorf mit. Die CDU verzichtet damit auf die Verbundschule. Rot-Grün wird die Gemeinschaftsschule nicht wie geplant umsetzen.
Im gleichen Zug haben Rot-Grün und CDU vereinbart, die Hauptschule als Schulform aus der NRW-Verfassung zu nehmen. "Wenn die Hauptschule nicht mehr verpflichtend in der Verfassung steht und die Sekundarschule als weitere Schulform ins Schulgesetz aufgenommen wird, setzt Politik die gelebte Realität im Land politisch und rechtlich um", erklärte dazu Sven Lehmann, Vorsitzender der NRW-Grünen.
„Es wird keine Schulform abgeschafft“
Die „Sekundarschule“ soll jedoch nicht Haupt- und Realschule ersetzen oder das Gymnasium gefährden, betonten beide Parteien: „Es wird keine Schulform abgeschafft“. Sie soll ein neues Angebot sein. Kern werde ein gemeinschaftlicher Stufen-übergreifender Schulunterricht für die Klassen 5 und 6 sein, der auch bis zur Klasse 7 ausgeweitet werden können soll. Fremdsprachenunterricht kann ab der Klasse 6 eingeführt werden.
Auch aus der Sekundarschule heraus soll es möglich sein, nach der 10. Klasse in die gymnasiale Oberstufe zu wechseln. Dazu soll es vor Ort "verbindliche Kooperationen" der Schule mit benachbarten Gymnasien, Gesamtschulen oder Berufskollegs geben. "Die Sekundarschule bereitet Schüler sowohl auf die berufliche Ausbildung als auch auf die Hochschulreife vor", heißt es in den Leitlinien der drei Parteien.
Bisherige Gemeinschaftsschulen erhalten Bestandsschutz
Für die 12 Gemeinschaftsschulen, die bisher auf Basis eines von der rot-grünen Landesregierung beschlossenen Schulversuchs in NRW gestartet sind, wurde ein Bestandsschutz vereinbart. Die Schulen sollen allerdings später "in das Regelschulsystem überführt werden". SPD, Grüne und CDU wollen dazu nach der Sommerpause einen gemeinsamen Gesetzentwurf im Landtag einbringen.
Die FDP kritisierte, der Schul-Konsens bedrohe nach wie vor "das vielfältige, gegliederte Schulwesen in NRW" und die Existenz der Gymnasien. Zudem werde die neue Sekundarschule gegenüber anderen weiterführenden Schulen privilegiert, weil Schulklassen dort höchstens 25 Schüler groß sein sollen. Fazit der FDP-Kritik: "Wettbewerbsfähige Realschulen und Gymnasien in Nordrhein-Westfalen werden in Zukunft strukturell ausgetrocknet.“
Lehrer-Verband feiert "historischen Tag" für NRW-Schulpolitik
„Nach mehr als 40 Jahren erbittertem Streit darf der 19. Juli 2011 in der nordrhein-westfälischen Schulpolitik als historischer Tag gelten“, erklärte Udo Beckmann, NRW-Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). „Ob die Schule Gemeinschaftsschule oder Sekundarschule heißt, ist aus Sicht des VBE unwichtig“, sagte Beckmann. Der gefundene Konsens gebe Schulen und Kommunen künftig die Möglichkeit, Schulentwicklung passgenau zu betreiben. Weder die Größe der Kommune noch die Zahl der Schülerinnen und Schüler werde künftig ein Hemmschuh für die gewünschte Entwicklung darstellen, heißt es in der Erklärung des VBE: "Die zahlreichen Kommunen, die mit Gemeinschaftsschulprojekten in den Startlöchern sitzen, werden nun bald handeln können."
„Endlich haben wir in Nordrhein-Westfalen einen Schulfrieden, der den Schulen, Eltern und Kommunen Rechtssicherheit für die kommenden zwölf Jahre bietet", kommentiert NRW-DGB-Chef Andreas Meyer-Lauber den Schulkompromiss: "Die vereinbarten Leitlinien machen den Weg frei für längeres gemeinsames Lernen und ermöglichen das Schulsystem angesichts sinkender Schülerzahlen sinnvoll weiterzuentwickeln.“ Positiv bewertet der DGB zudem, dass die Parteien vereinbart haben, die Klassengrößen zu verringern. Wer die Kosten dafür zu stemmen hat, dazu haben sich die Parteien am Dienstag allerdings nicht geäußert.
Eine Übersicht über die bisherigen Schulmodelle in der Diskussion findet sich hier. (dae/WE/dapd)