Athen/Rom/Madrid. Neuwahlen, Übergangsregierungen, neue Machtverhältnisse: Athen, Rom und Madrid wollen mit neuen Regierungen die Krise überwinden. Doch immer noch erschweren Machtspiele und Lippenbekenntnisse die von Europa geforderten Reformen.
Seit Tagen ringen die Politiker in Athen um eine „Regierung der nationalen Einheit“. Selbst wenn die Niederkunft gelingt, besteht kein Anlass zur Euphorie. Die akute Gefahr eines Staatsbankrotts ist nicht gebannt, die Zukunft Griechenlands in der Eurozone und der Europäischen Union ist unsicher.
Auf dem künftigen Regierungschef ruhen große Hoffnungen. Aber es hängt nicht nur von ihm ab, ob Griechenland doch noch die Kurve kriegt. Regieren kann der künftige Premier nur mit der Unterstützung der beiden großen Parlamentsparteien. Die haben sich endlich im Angesicht des drohenden Untergangs und unter dem massiven Druck der ausländischen Gläubiger zu einer Notgemeinschaft zusammengerauft.
Das ist noch nicht der politische Neuanfang, den das Land dringend braucht. Der neue Premier kann versuchen, die akute Gefahr einer Staatspleite abzuwenden. Er kann mit einer zügigen Ratifizierung und Umsetzung des Rettungspakets, das die EU Ende Oktober schnürte, den Weg zur Auszahlung der Hilfskredite frei machen, ohne die Griechenland noch vor Weihnachten zahlungsunfähig zu werden droht. Aber Hilfskredite allein werden Griechenland nicht retten. Das Land braucht eine neue politische Kultur.
Dazu kann der künftige Premier nur wenig beitragen. Sein Mandat ist begrenzt. Durchsetzungsvermögen und außenpolitische Autorität hat er nur so lange, wie die beiden großen Parteien an einem Strick ziehen. Doch die beiden Partner, die ihn tragen sollen, sind zugleich Rivalen. Griechenland geht Neuwahlen entgegen, vielleicht schon in wenigen Monaten. Die Bereitschaft der Parteien, jetzt unpopuläre, aber notwendige Einschnitte mitzutragen, dürfte sich deshalb in Grenzen halten.
Italien - Übergangsregierung oder Neuwahlen
Wie geht es in Italien nach einem Abgang Berlusconis weiter? Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten: Das Land bekommt eine Übergangsregierung. Oder der Staatspräsident löst das Parlament auf und schreibt Neuwahlen aus.
Die zweite Möglichkeit hat kaum Chancen, denn ein Wahlkampf würde Italien in ein politisches Vakuum stürzen. Außerdem fehlen den Sozialdemokraten, die wohl an die Macht kämen, Programm und Zusammenhalt, um den Sanierungskurs vorantreiben zu können. Denkbar ist eine „technische“ Übergangsregierung wie 1995, die nach dem ersten Scheitern Berlusconis 1995 gefunden wurde.
Damals kam Finanzminister Lamberto Dini ans Ruder. Sein Kabinett bestand aus nicht-parteipolitischen Experten, die Italien mit Haushaltskorrekturen und Pensionsreformen für den Beitritt zum Euro fit machen sollten.
Eine solche Übergangsregierung könnte heute unter Führung des Wirtschaftsprofessors und ehemaligen EU-Kommissars Mario Monti entstehen. Die Opposition ist offenbar bereit, ihn parlamentarisch zu stützen. Seine Amtszeit könnte bis zu den regulären Neuwahlen im Frühjahr 2013 dauern. Nur Berlusconi will Monti nicht haben: zum Teil aus Eifersucht, zum Teil aus Angst, das Nichtstun seiner Regierung könnte dann aufgedeckt werden.
Eine „politische“ Übergangsregierung verlangt Berlusconis Koalitionspartner, die Lega Nord. Sie reklamiert die Führung für Berlusconis Parteisekretär, den früheren Justizminister Angelino Alfano. Doch ein Statthalter Berlusconis würde kaum von der linken Opposition unterstützt werden. Die „Lösung Alfano“ würde Italiens Quälerei letztlich nur verlängern.
Spanien - Spitzenkandidat Alfredo Rubalcaba hat alle Zahlen gegen sich
Der Mann hat alle Zahlen gegen sich: Mit 22,6 Prozent die schlimmste Arbeitslosenquote der EU. Ein Wirtschaftswachstum, das gegen Null strebt. Schuldenberge mit einem Haushaltsdefizit von 9,3 Prozent in 2010, die Spanien zu einem Euro-Risikokandidaten machen. Sozialer Kahlschlag mit der Axt, wie ihn das Land noch nicht erlebte. Wie soll Spaniens sozialistischer Spitzenkandidat Alfredo Rubalcaba mit dieser Bilanz seiner Regierung die Wahl am 20. November gewinnen?
Die Umfragen sind vernichtend für die Sozialisten, die mit ihrem bisherigen Ministerpräsidenten Zapatero seit März 2004 in Spanien regieren. Höchstens 30 Prozent werden ihnen noch zugetraut – es könnte die schlimmste Niederlage in der Geschichte dieser Partei werden. Für die konservative Volkspartei mit ihrem Spitzenkandidaten Mariano Rajoy werden 45 Prozent, womöglich gar die absolute Mehrheit erwartet.
Handfeste Rezepte, um Spanien aus der Krise zu holen, haben beide Kandidaten nicht. „Wir sind eine große Nation, die niemals aufgibt“, munterte Rajoy das deprimierte spanische Volk im Fernsehduell auf. Er setzt auf „Vertrauen und Glaubwürdigkeit“, verspricht, „die öffentlichen Ausgaben zu kontrollieren“, schweigt aber hinsichtlich weiterer Kürzungen. Rajoy will auch den wankenden Bankensektor, der durch riskante Immobilienoperationen auf faulen Krediten in Milliardenhöhe sitzt, reformieren und Spaniens starren Arbeitsmarkt liberalisieren. Immerhin Zusagen, die auf einer Linie mit den Forderungen der Europäischen Union (EU) liegen. Dagegen dürften die Ideen Rubalcabas wenig Beifall in Brüssel finden: Er will die EU um zwei Jahre Aufschub für die nötige Haushaltssanierung bitten, „um Spielraum zu gewinnen“.