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Sogar die Zukunft war früher besser? Stellen wir uns vor, wir schreiben das Jahr 2030 – und prüfen einmal nach, was die Zukunftsforscher damals vorhergesagt haben.

„Die neue Arbeitsformel für die Zukunft lautet: 0,5 x 2 x 3“, verkündete vor rund 20 Jahren der Zukunftsforscher Horst Opaschowski: „Die Hälfte der Mitarbeiter verdient doppelt so viel und muss dafür dreimal soviel leisten wie früher.“ Andererseits habe jeder Zweite keine Vollzeitstelle mehr im Jahr 2030 – müsse mit einem Niedriglohn auskommen oder mit mehreren Jobs jonglieren. Das private Leben – es wird immer weniger planbar.

Doch es gab auch positivere Ausblicke: „Die Arbeitsdichte kann nicht mehr zunehmen. Die Leute sind bereits am Rande“, stellte Gerhard Bosch fest, Direktor des Instituts für Arbeit und Qualifikation an der Uni Duisburg-Essen. „Flexibilität wird in Zukunft stärker über Weiterbildung definiert. Ein großer Teil der Jobs wird interessanter werden.“ Weil die Fachkräfte knapp würden, stiegen die Chancen der jüngeren Generation – und der Älteren gleichermaßen. Ohnehin gebe es keinen automatischen Trend in Richtung Minijobs oder Leiharbeit, so Bosch. Die Entwicklung hänge von der Politik ab, wie Skandinavien zeige.

Wer hat Recht behalten? Tatsächlich reformierte die Politik erst 2023 den Arbeitsmarkt, so dass heute auch Leiharbeitern und Ausgelagerten der Tarif gezahlt werden muss. Dies war eine späte Reaktion auf die Bedürfnisse der Wirtschaft. Hätte die Politik früher agiert, hätte die Erosion der Mittelschicht eher gestoppt werden können. Aber eine soziale „Brasilianisierung“ ist nicht eingetreten.

Gesundheit - Aufstand der Alten?

Die Alterspyramide ist heute kein Tannenbaum mehr, sondern eine Pappel. Und tatsächlich haben wir im Jahr 2030 mehr als doppelt so viele Demenzkranke wie 2010. Gleichzeitig ist die Zahl der Beitragszahler gesunken. Die Umstellung auf eine kapitalbasierte Vorsorge ist noch längst nicht abgeschlossen, und die aktuelle Generation muss ebenso für die Eltern zahlen wie für sich selbst.

Aber Altersheime, die aussehen wie Legebatterien, Rentner, die ihre Medikamente auf dem Schwarzmarkt kaufen müssen? Es ist nicht so gekommen wie im Film „Der Aufstand der Alten“ von 2007.

Das Modell des flexiblen Ruhestands hat dazu beigetragen, ältere Menschen länger einzahlen zu lassen. Und die Produktivität in der Pflege ist so stark gestiegen wie in kaum einem anderen Sektor. Einen großen Effekt hatte auch die Förderung des Ehrenamtes. Vor allem aber hat sich die Seniorenwirtschaft als Boom-Sektor erwiesen: mit 800 000 neuen Arbeitsplätzen.

Leben - immer ruhiger, immer sozialer

Mit der Möglichkeit, digital immer und überall dabei zu sein, wächst auch der Zwang zur Individualisierung. Das spürten die Menschen im Jahr 2010 – und ein nicht geringer Teil hatte Angst davor. All diese Entscheidungen: Weiterbildung, Handytarif, Wohnort, wie habe ich Teil an einer dermaßen dynamischen Gesellschaft? Die Prognose damals: Im Jahr 2030 wird Telefonieren die beliebteste Freizeitbeschäftigung sein. „Anlesen wird wichtiger als Durchlesen“, so Opaschowski.

Aber wie ist es gekommen? Wir mussten neu lernen, uns zu konzentrieren – und abzuschalten. Zumindest von der Mittelschicht aufwärts haben sich Erreichbarkeitsfenster etabliert. Materiell ging es uns noch nie so gut wie heute. Und so wird Teilhabe nicht mehr nur finanziell definiert, sondern durch Engagement. Die postmaterielle Gesellschaft ist so sozial wie keine zuvor.

Wirtschaft - noch nicht ganz strukturgewandelt

Das Ruhrgebiet war schon 2010 deindustrialisiert. Nur noch jeder Fünfte verdiente sein Geld in der Industrie, sogar im Sauerland waren es noch mehr. Dennoch: Die Region setzte auf ihre alten Stärken. Die Studie „ContractFuture Ruhr 2030“ des Initiativkreises Ruhrgebiet sah ein Metakompetenzfeld Energie-Werkstoffe-Logistik als förderungswürdig an. Das schuf erst die Grundlagen für ein regionales Wirtschaftswachstum. Aber die Orte der Wirtschaftsförderung blieben die Städte. Und ihre Konkurrenz erwies sich als belebend.

Duisburg hat im Jahr 2010 neben der Forschung klare Ziele mit Stahl und Logistik. Dortmund feiert erste Erfolge in der Ansiedlung von High-Tech-Firmen. Bochum hofft auf Ausgründungen durch den Gesundheitscampus. Gelsenkirchen forciert die Solartechnik, der Kreis Recklinghausen setzt auf Wasserstoff. Herten positioniert sich zudem als seniorengerechte Stadt.

Doch auch Klaus Burmeister, Chef der Kölner Zukunftsberatung Z_punkt, erklärte im Jahr 2010: „Für das Ruhrgebiet sind immer noch altindustrielle Strukturen maßgebend.“ Alles hänge von der Innovationskraft der Unternehmen ab. Welcher Energieversorger werde etwa kleine Blockkraftwerke anbieten für Verbrauchergenossenschaften? Nun, immerhin schaffte es RWE – wie angekündigt – bis 2025 den Anteil der Kohle an der Energieerzeugung um die Hälfte zurückzufahren.

Aber es ist wohl zu früh, ein Fazit des Strukturwandels zu ziehen. Das Ruhrgebiet hat aufgeholt, aber erst in weiteren 20 Jahren wird sich zeigen, was dran war an den Visionen von damals. Was Klaus Burmeister sagte, gilt noch heute: „Das Ruhrgebiet hat Chancen. Alle Umfragen zeigen ja: Die Leute fühlen sich hier wohl. Man muss vor allem diese Heimat weiterentwickeln.“