Essen. Autor Christian Ankowitsch hat für die Kapitel seiner Internet-Literatur weniger Platz als bei einer SMS. Ein Gespräch über „Twitteratur”.
SMS-Format und Roman, das ist eine gewagte Verknüpfung.
Ankowitsch: Natürlich lassen sich bei so wenig Platz kaum schwierige Geschichten entwickeln. Aber denken Sie an Haikus und Aphorismen. Ich halte es für einen Irrtum zu glauben, dass absolute Freiheit automatisch größtmögliche Kreativität nach sich ziehe.
Sondern?
Ankowitsch: Grenzenlose Freiheit würde bedeuten, einem Kind zu sagen „Spiel mal was!” Besser ist es, ihm fünf Klötze zu geben. Ähnlich ist es mit den 140 Zeichen bei Twitter: Da müssen Sie sich auf engstem Raum bewegen, das fordert den Erfindungsgeist heraus. Man muss aphoristisch sein, Pointen finden, eine in sich geschlossene Miniatur.
Wie waren die Reaktionen auf Ihre bisher 65 Kapitel?
Ankowitsch: Stille mit gelegentlichen Zurufen. Wenn meine Erfahrungen als Journalist zutreffen, darf ich das als Zustimmung deuten.
Wie viele Kapitel werden es?
Ankowitsch: 1000? Das Faszinierende an fiktiven Geschichten ist, dass sie eine Eigendynamik entwickeln, dass die Figuren selbstständig losmarschieren. Eine interessante Weiterentwicklung könnte sein, ihnen persönliche Profile in Netzwerken wie StudiVZ einzurichten.
Um am Ende alles zu drucken und zu vermarkten?
Ankowitsch: Das ist definitiv nicht der Sinn der Sache. Der liegt im Spass, die Plattform auszuprobieren. Alles weitere wird man sehen.
Sie kriegen, während Sie die Geschichte entwickeln, direkte Rückmeldungen.
Ankowitsch: Ja, aber bisher ist davon nichts in die Texte eingeflossen. Ein Weinliebhaber hat vorgeschlagen, ein bestimmter Wein solle vorkommen. Noch habe ich keine passende Stelle gefunden.
Wie viele Leser haben Sie?
Ankowitsch: Exakt 217 Abonnenten. Verglichen mit der normalen Welt sind das lächerliche Zahlen, aber wenn Sie das in Relation zu den deutschen Nutzern von Twitter setzen, ist es zwischen 0,5 und 1 Prozent. Das sind Auflagen, die hätte ich gern mit meinen gedruckten Büchern. Was man daran aber auch sieht: Nur verschwindend wenige Leute nutzen dieses Angebot. Ich hatte selbst erst Skrupel, mich darauf einzulassen.
Warum?
Ankowitsch: Ich dachte, Twitter wäre nur eine weitere Verzettelungsmaschine. Aber die Seite funktioniert wunderbar, weil ich einerseits sofort loslegen konnte und andererseits diesen minimalen Platz habe.
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