Berlin. Bundesarbeitsminister Franz Josef Jung (CDU) ist zurückgetreten. Damit übernimmt der frühere Verteidigungsminister die politische Verantwortung in der Afghanistan-Affäre. Der 30-Tage-Minister wird in die Geschichte eingehen. Noch nie nahm ein Bundesminister nach so kurzer Zeit den Hut.
Franz Josef Jung hat die Verantwortung für die Informationspannen nach dem Afghanistan-Luftschlag übernommen und ist als Bundesminister zurückgetreten. Der Ex-Verteidigungsminister erklärte am Freitag in Berlin, er habe Kanzlerin Angela Merkel informiert, dass er sein Amt als Arbeitsminister zur Verfügung stellt.
Die Arbeit von Jung wird für lange Zeit mit einem Rekord verbunden sein. Noch nie ist ein Bundesminister nach so kurzer Zeit von seinem Posten zurückgetreten. Gerade mal vier Wochen hielt sich der CDU-Politiker im Amt des Arbeitsministers.
Der Druck auf den CDU-Politiker hatte zugenommen, nachdem er am Vortag im Bundestag eingeräumt hatte, einen Bericht der Feldjäger ungelesen zur Nato weitergeleitet zu haben. Darin ging es um die Frage ziviler Opfer bei dem von der Bundeswehr in Kundus am 4. September angeforderten Bombardement auf zwei gekaperte Tanklastzüge. Dabei waren nach Nato-Angaben bis zu 142 Menschen ums Leben gekommen, darunter auch viele Zivilisten.
Die als seine mögliche Nachfolgerin gehandelte hessische Umweltministerin Silke Lautenschläger ließ ihre Sprecherin in Wiesbaden erklären: «Die Ministerin macht hier ihre Arbeit und bleibt weiter in Hessen.»
Nach Informationen von «Spiegel online» ist auch Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Nachfolgerin im Gespräch. Wie das Magazin berichtete, könnte ins Familienministerium dann die hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Kristina Köhler nachrücken. Entschieden sei aber noch nichts.
Nahles kritisiert Merkels Krisenmanagement
Jungs Rücktritt wurde von allen Seiten begrüßt. Die Opposition bezeichnete ihn als überfällig. Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Ernst-Reinhard Beck, erklärte, Jung verdiene Respekt. «Mit diesem Schritt hat er Schaden von der Bundeswehr abgewendet und sich vor die Soldatinnen und Soldaten gestellt.»
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte, nach gerade mal vier Wochen sei diese Bundesregierung schon in eine Regierungskrise gestürzt. «Das schlechte Krisenmanagement der Kanzlerin hat Franz Josef Jung weiter wurschteln lassen.»
Jetzt muss die Opposition entscheiden, ob sie an ihrer Forderung festhält, ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss müsse die Informationspannen nach dem 4. September untersuchen. Dafür ist ein Viertel der Stimmen der Mitglieder des Bundestags nötig. Möglich ist, den Verteidigungsausschuss mit der Untersuchung der Informationspannen zu beauftragten.
Guttenberg neun Einschätzungen vorenthalten
Die Pannen sind laut Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg noch größer bisher bekannt. Nach einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses sagte der CSU-Politiker, ihm seien neun Einschätzungen zum Luftangriff vorenthalten worden. Er sicherte den Abgeordneten größtmögliche Transparenz zu. Soweit es ihm möglich sei, werde er bislang geheime Berichte freigeben.
Guttenberg versicherte, wenn ihm alle Unterlagen vorlägen, werde er den Luftangriff neu bewerten, den er wenige Tage nach Amtsantritt als «militärisch angemessen» bezeichnet hatte. Der Minister erklärte, er habe am Vortag Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert entlassen, weil sie ihm «Informationen, die für meine politische Bewertung und Einschätzung wichtig gewesen wären», vorenthalten hätten. «Das hat die Vertrauensbasis leider erheblich beschädigt.» Wegen der Verdienste während ihrer langjährigen Arbeit würden sie aber am 3. Dezember mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet.
Guttenberg soll Einschätzung korrigieren
Der SPD-Wehrexperte Rainer Arnold richtete an die Adresse des Minister die Frage: «Wie kommt er zu den Einschätzung, dass die Bombenabwürfe angemessen, verhältnismäßig und fast zwangsläufig waren?» Guttenberg müsse seine falsche Einschätzung schleunigst korrigieren.
Der Grünen-Politiker Omid Nouripur sagte, Chefaufklärer müsse das Parlament sein. «Deshalb brauchen wir einen Untersuchungsausschuss.» Ähnlich äußerte sich auch Paul Schäfer von der Linksfraktion. Union und FDP wollen zwar keinen Untersuchungsausschuss, wollen aber tatkräftig bei der Aufklärung mitarbeiten. (ap/ddp)