Der liberale Ökonom Paul Krugman plädiert in seinem Buch „Nach Bush. Das Ende der Neokonservativen und die Stunde der Demokraten” für einen entschiedenen Politikwechsel nach links.
Paul Krugman, Wirtschaftsprofessor der Princeton University und Starkolumnist der New York Times, versucht seit Jahren, mit Büchern, Kolumnen und TV-Auftritten das Image des Liberalismus zu retten; er wurde zu einem der schärfsten intellektuellen Bush-Kritiker, aber auch zur Zielscheibe von rechts und links. Der deutsche Leser, der das Buch zur Hand nimmt, wird sich wundern, wie moderat man sein kann, um in den USA schon als „Liberaler” verpönt zu sein. Krugman behauptet, jeder echte Liberale sei ein Konservativer, der ein sozial und politisch ausgeglichenes Amerika aus der Ära des New Deal wiederherstellen möchte.
Die Revision, die konservative Kolumnisten und Denkfabriken gegen den New Deal anfachten, schätzt Krugman als eine rechtsradikale, letztlich von Rassismus motivierte Bewegung ein. Nicht technische Sachzwänge oder die wirtschaftlich-finanzielle Globalisierung haben in seiner Sicht die „Politik der Ungleichheit” erzeugt, sondern die Machtübernahme einer „harten Rechten”, die Klassenkampf von oben betreibe. Der tiefere Grund sei das ungelöste Rassenproblem, das die Schwarzenfresser im Süden nicht mehr offen thematisieren könnten und in Widerstand gegen den Wohlfahrtsstaat ummünzten.
Religiös-reaktionäre, egoistische und ikompetente Politiker
Dabei ist an Krugmans Patriotismus ebenso wenig zu zweifeln wie an seiner These, dass die Regierung der Vereinigten Staaten in den Händen einer Gruppe religiös-reaktionärer, egoistischer und inkompetenter Politiker liegt – sehr zum Schaden des Ansehens der USA beim Rest der Welt. Dass sich diese Kaste den infamen Angriff auf Amerika im September 2001 zunutze gemacht hat, trieb den bis dahin eher bedächtigen Ökonomen auf die Barrikaden. Der Titel des Buches greift das berühmte Pamphlet des radikalkonservativen Senators Barry Goldwater, The Conscience of a Conservative (1960), auf – und dreht es um: Was damals ein Startschuss für die konservative Revolution in den USA war, soll nun das Signal eines ebenso entschiedenen Politikwechsels nach links werden.
Krugman führt die Möglichkeit des Wechsels auf einen politischen Klimawandel in den USA zurück: „Amerika ist weniger weiß, und viele Weiße (aber nicht alle) werden weniger rassistisch” (Auftritt Barack Obama). Überdies haben Jean & Joe Sixpack, Amerikas Normalverbraucher, anders als unter Reagans Präsidentschaft nicht mehr das Gefühl, von der ökonomischen Dynamik zu profitieren; Abstiegsängste breiten sich im Mittelstand aus, dessen Sicherheit der New Deal garantierte. Die Frontstellung gegen Schwarze und farbige Einwanderer, auch der „war on terror” und nicht zuletzt religiöser Extremismus haben den weißen Mittelstand gegen die Erkenntnis immunisiert, dass die Spaltungspolitik der Republikaner seinen Interessen zuwiderläuft. Doch nun schwenken die Wähler auch in Staaten wie Virginia und Kansas um. Hinzu kommt der Bedeutungszuwachs hispanischer Einwanderer; sie mögen sozialkonservativ sein, aber an der xenophoben Politik Washingtons und diverser Südstaaten nehmen sie Anstoß.
Fast klassisch sozialdemokratisch
Krugman bürstet kräftig gegen den Strich, und nicht nur, wo er vom Mindestlohn schreibt, wird deutlich, dass sein Buch auch europäische Verhältnisse anspricht. Dass ein Amerikaner ein fast klassisch sozialdemokratisches Programm ausbreitet, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Unterschiede zu Europa bleiben. Auch die Spannungen im transatlantischen Verhältnis werden fortbestehen, selbst wenn ein Demokrat, egal ob schwarz oder weiblich, ins Weiße Haus einzöge. Die Demokraten sind mit guten alten Ideen zurück. Ob eine neue politische Generation, die von ihnen kaum weniger enttäuscht ist als von den Konservativen, diese Renaissance goutiert, muss sich erst noch herausstellen.