Paris. Der französische Verfassungsrat muss über das Verbot der sogenannten „Corridas“ - der Stierkämpfe - entscheiden. Gegner und Anhänger stehen sich unversöhnlich gegenüber. Der spanischstämmige Innenminister Manuel Valls verteidigte die Corridas als „eine Kultur, die man schützen muss“.
Grausame Tierquälerei oder traditionsreiches Kulturspektakel? An Stierkämpfen scheiden sich die Geister, unversöhnlich stehen sich Anhänger und Gegner der Corridas gegenüber. In Frankreich gibt am Freitag der Verfassungsrat des Landes seinen mit Spannung erwarteten Beschluss zur Zulässigkeit der Stierkämpfe bekannt, die im Süden des Landes sehr verbreitet sind.
In Südfrankreich ist die spanische Corrida, bei der der Stier am Ende mit einem Degenstoß getötet wird, fest verankert und für Städte wie Nîmes, Arles und Bayonne ein wichtiger Touristenmagnet - und somit auch ein Wirtschaftsfaktor. Die Stierkämpfe sind der Höhepunkt der unter anderem an Ostern und Pfingsten gefeierten Ferias, die Volksfeste ziehen hunderttausende Besucher an. Stierkampf-Befürworter, "Aficionados" genannt, argumentieren, das blutige Spektakel stehe für einen "kulturellen, sozialen und regionalen Pluralismus" und gehöre zum regionalen Gemeinwohl.
Brigitte Bardot: „Pervers und zutiefst schockierend“
Tierschützern stoßen solche Argumente bitter auf: "Grausamkeit und Brutalität in den Rang eines Schauspiels zu erheben, sich daran zu erfreuen, wie Leid zugefügt und getötet wird, ist pervers und zutiefst schockierend", schreibt die frühere Schauspielerin Brigitte Bardot, die für einen Aufruf zum Verbot der Stierkämpfe zwei weitere Alt-Stars des französischen Kinos auf ihre Seite zog - Jean-Paul Belmondo und Alain Delon.
"Es ist Fakt, dass der spanische Stierkampf nicht Teil der französischen Kultur ist", schreiben die drei Leinwandlegenden - und vergessen nicht, auf den erbitterten Stierkampfgegner Victor Hugo zu verweisen, der einst schrieb: "Einen Stier zum Spaß, zum Vergnügen zu quälen, heißt weit mehr, als ein Tier zu quälen - es heißt Bewusstsein zu quälen."
In Frankreich ist jeder "Akt der Grausamkeit" gegen Tiere verboten und wird mit bis zu zwei Jahren Haft und einer Geldstrafe in Höhe von 30.000 Euro geahndet. Ausnahmen macht das Strafgesetzbuch aber bei Stier- und Hahnenkämpfen in den Regionen, in denen es sich um eine "örtliche Tradition" handelt. Der Verfassungsrat muss nun darüber entscheiden, ob die Ausnahmeklausel womöglich verfassungswidrig ist.
Hinter die Stierkämpfe hat sich ein prominentes Mitglied der sozialistischen Regierung gestellt, der spanischstämmige Innenminister Manuel Valls. Er verteidigte die Corridas als "eine Kultur, die man schützen muss". Valls, im katalanischen Barcelona geboren, machte nicht nur persönliche Verbindungen geltend - "Ich mag das, es ist Teil der Kultur meiner Familie" - sondern erhob die Stierkämpfe gleich zu einem identitätsstiftenden Ereignis für eine von der Wirtschaftskrise erschütterte und verunsicherte Nation: "Wir brauchen diese Wurzeln, lasst sie uns nicht ausreißen."
Katalonien beschloss Ende der Corridas 2010
Diese Äußerungen machte Valls Mitte September just an dem Tag, an dem sich der Verfassungsrat in einer Anhörung mit den Stierkämpfen beschäftigte. Stierkampf-Gegner nahmen dies zum Anlass, gleich der gesamten Regierung von Staatschef François Hollande eine zumindest passive Unterstützung der Corridas zu unterstellen. Jean-Pierre Garrigues vom Radikalen Anti-Stierkampf-Komitee wetterte, die Sozialisten führten unverblümt den Pro-Corrida-Kurs der konservativen Vorgängerregierung unter Staatschef Nicolas Sarkozy fort.
In seiner Geburtsstadt Barcelona wird Innenminister Valls übrigens keinen Stierkämpfen mehr beiwohnen können: Die spanische Region Katalonien beschloss im Juli 2010 ein Verbot der Corrida und brach so mit der jahrhundertealten Tradition. Rund 18.000 Zuschauer wohnten im September vergangenen Jahres in der Arena Monumental von Barcelona dem letzten Stierkampf in der Region bei, bevor das Verbot Anfang 2012 formal in Kraft trat.
Ob auch in Südfrankreich Stierkampf-Fans bald von den Corridas werden Abschied nehmen müssen, darüber entscheidet nun der französische Verfassungsrat. Bleiben würde ihnen dann aber immer noch die Course Camarguaise - eine provenzalische Variante des Stiertreibens, bei der die Tiere nicht zu Schaden kommen. (AFP)