Hamburg.. Die Umweltorganisation Greenpeace kritisiert den mangelnden Strahlenschutz rund um das havarierte Atomkraftwerk Fukushima in Japan. Ein Atomexperte fordert, dass dort wenigstens die Kinderspielplätze vorsorglich gesperrt werden.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat der japanischen Regierung vorgeworfen, die Bevölkerung nicht ausreichend vor der Radioaktivität aus den zerstörten Reaktoren von Fukushima zu schützen. Die Informationspolitik der Behörden sei „katastrophal“ und setze die Menschen einem „hohen Risiko“ aus, sagte Thomas Breuer, Leiter des Atom- und Energiebereichs bei Greenpeace Deutschland, am Montag in Hamburg nach seiner Rückkehr aus dem betroffenen Gebiet. Greenpeace-Teams messen dort die Strahlung.
In den von radioaktivem Fallout betroffenen Regionen, die außerhalb des offiziellen Evakuierungsradius von derzeit 20 Kilometer rund um das zerstörte Kraftwerk von Fukushima lägen, seien nicht einmal einfachste Schutzmaßnahmen wie die Sperrung von Kinderspielplätzen oder Parks getroffen worden, kritisierte Breuer. Die Strahlenbelastung sei aber auch weit außerhalb der 20-Kilometer-Zone teils bedenklich. Zumindest die am stärksten verseuchten Orte müssten evakuiert werden, andere so gut wie möglich dekontaminiert und gereinigt, sagte der Experte.
„Das sind dramatische Zahlen“
Im Zentrum der Stadt Fukushima, 60 Kilometer vom Atomkraftwerk entfernt, habe Greenpeace in den vergangenen Wochen im Schnitt Strahlenwerte von drei Mikrosievert pro Stunde gemessen. Das bedeute, dass ein Mensch in zwei Wochen die zulässige Jahresdosis abbekomme. In den am stärksten verstrahlten Orten wie dem Dorf Itate seien Werte von fast 50 Mikrosievert je Stunde erreicht worden. Dort werde die Jahresdosis in rund zwei Tagen erreicht. „Das sind dramatische Zahlen“, sagte Breuer. Auf sandigen oder erdigen Böden, etwa auf Spielplätzen, ist die Belastung besonders hoch, weil sich radioaktive Partikel darin gut verfangen.
In dem Atomkraftwerk Fukushima 1 waren nach der verheerenden Erdbeben- und Tsunamikatastrophe vom 11. März mehrere Atomreaktoren außer Kontrolle geraten. Es kam zu Explosionen und Bränden, es trat massiv Radiaktivität aus. Inzwischen stufen die Behörden das Atomunglück auf der höchsten Stufe der internationalen Ines-Störfallskala ein. Es liegt damit gleichauf mit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986. Japans Regierung erwägt mittlerweile, die Evakuierungszone über die 20 Kilometer hinaus partiell auszuweiten. In einer Zone zwischen 20 und 30 Kilometern um das Akw sind Bewohner bereits aufgerufen, sich freiwillig in Sicherheit zu bringen. Nach Einschätzung des Akw-Betreibers Tepco wird es voraussichtlich noch Monate dauern, bis die Lage in Fukushima sich stabiliert.
„Die Probleme werden noch über Jahrzehnte in der Region sein“
Anders als 1986 rund um Tschernobyl gebe es bei Fukushima außerdem keine Kontrollen des Verkehrs, kritisierte Breuer. Obwohl mitten durch das Gebiet eine stark befahrene Fernroute führe, gebe es keine Radioaktivitätsmessungen an den Fahrzeugen. Auch die Bauern würden mit dem Strahlenproblem allein gelassen. Sie erhielten keine Informationen darüber, was sie mit ihren Feldfrüchten machen und wie sie mit dem kontaminierten Land in Zukunft umgehen sollten.
Arbeiten im Problem-Reaktor
Bei Untersuchungen fanden die Greenpeace-Experten in den vergangenen Wochen im Umkreis von Fukushima schon mehrfach kontaminierte Lebensmittel, sogar in Supermärkten. Die japanische Regierung müsse endlich ein flächendeckendes Kontrollsystem für Nahrungsmittel rund um Fukushima auf die Beine stellen, forderte Breuer. „Die Probleme werden noch über Jahrzehnte in der Region sein.“ (afp)