Hamburg (dapd). Im neuen Prozess gegen den 2001 verurteilten Reemtsma-Entführer Thomas Drach kommt es nicht zum Aufeinandertreffen zwischen dem Angeklagten und seinem Bruder. Das Landgericht Hamburg lehnte am Dienstag einen entsprechenden Beweisantrag der Verteidigung ab, Lutz Drach als Zeugen zu vernehmen. Eine Aussage des ein Jahr jüngeren Bruders von Thomas Drach sei nicht mehr erforderlich, sagte die Vorsitzende Richterin Ulrike Taeubner. Aus Sicht der Kammer wäre die Beweisaufnahme damit abgeschlossen. Allerdings räumte das Gericht der Verteidigung weitere Zeit ein und setzte zwei zusätzliche Termine bis Mitte November an.

Thomas Drach war 2001 als Kopf der Entführung des Hamburger Multimillionärs Jan Philipp Reemtsma zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Er könnte frühestens am 21. Juli 2012 entlassen werden. Der größte Teil des Lösegeldes von damals - 15 Millionen D-Mark und 12,5 Millionen Schweizer Franken - ist nach wie vor verschwunden.

Im aktuellen Fall wirft die Anklage dem 51-Jährigen vor, in Briefen aus dem Gefängnis heraus versucht zu haben, einen Freund zur räuberischen Erpressung seines Bruders anzustiften. Dabei sollte der Freund nach den Planungen des Angeklagten binnen sechs Monaten 30 Millionen Euro von Lutz Drach erpressen. Der Angeklagte bestreitet dies.

Taeubner zufolge ist es bereits erwiesen, dass sich Lutz Drach nicht bedroht fühlt. Dies habe die Mutter der zerstrittenen Brüder, Helga Drach, für die Kammer überzeugend ausgesagt. Folglich sei eine Aussage von Lutz Drach für die tatsächliche Entscheidung ohne Bedeutung. Taeubner betonte, dass es weder zu einer Anstiftung kam, geschweige denn zu einer räuberischen Erpressung. Die Anklage werfe Thomas Drach eine versuchte Tat vor, sagte sie.

Bereits am Vormittag hatte der Beamte, der für die Führungsaufsicht von Lutz Drach verantwortlich ist, in einem Fax mitgeteilt, dass der 50-Jährige ihn immer aus Telefonzellen anrufe und alle vier bis sechs Wochen umziehe, weil er das Gefühl habe, dass man hinter ihm herschnüffele. Der Führungsaufsicht sei keine aktuelle Adresse bekannt. Die Verteidigung hingegen nennt eine Adresse in Madrid als aktuellen Wohnort von Lutz Drach. Weitere Ermittlungen zur Anschrift hält die Kammer für nicht erforderlich. Auch verlas das Gericht ein Schreiben von Lutz Drach vom 9. Oktober, wonach er sich "von niemandem bedroht fühlte und fühlt".

Indes soll Thomas Drach erneut Beamte bedroht haben. Am Montag sei es beim Transport von Drach zum Gericht zu einem Zwischenfall gekommen, gab Oberstaatsanwalt Karsten Hoffmann zu Protokoll. Auf die Anweisungen eines Beamten soll Drach gesagt haben: "Normalerweise knalle ich die ab, die mir Anweisungen geben." Gegenüber der Richterin sagte er: "Mir gibt keiner Anweisungen, ob da nun ein Polizist oder Mafiaboss steht." Schon zu Prozessbeginn soll Drach Beamte bedroht haben. Taeubner betonte, dass solche Bemerkungen es nicht leichter machten. Drachs Anwalt hingegen bezeichnete die Aussagen als "Dampfablassen".

Aus Sicht der Kammer ist die Beweisaufnahme abgeschlossen. Taeubner sagte, dass sie andererseits jedoch nichts abschneiden und der Verteidigung weitere Möglichkeit zu Beweisanträgen geben wolle. Die Kammer setzte zusätzlich zum bereits bekannten Termin am 8. November mit dem 11. und 14. November zwei zusätzliche Verhandlungstage an. Drach droht im Fall einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von maximal elf Jahren. Sollte ihn das Landgericht zu einer Haft von mindestens zwei Jahren verurteilen, könnte eine Sicherungsverwahrung in Betracht kommen.

dapd