Den Haag/Winterberg..

Was für die Deutschen das Land der tausend Berge ist, sind für die Niederländer die „holländischen Alpen“. Das Sauerland profitiert von der unbändigen Reiselust unserer europäischen Nachbarn. Doch jetzt droht Ungemach: Im Land der Windmühlen und des Käses wird über den Bau eines künstlichen 2000-Meter-Berges nachgedacht.

Thijs Zonneveld hat wahrlich einen Stein ins Rollen gebracht. In einer Kolumne in der Tageszeitung De Pers fantasierte der Sportjournalist und ehemalige Radrennprofi über die magere Oranje-Bilanz bei internationalen Ski- und Radwettbewerben. Das Ergebnis seiner Ursachenforschung: „Das Land ist flach. Flach ist nützlich, um Rüben zu züchten, Kühe zu halten oder gerade Straßen zu bauen, aber sportlich ist es eine Katastrophe.“ Seine ultimative Lösung: In der niederländischen Tiefebene, genauer: in der Provinz Flevoland, muss ein Berg her, an dem Frau Antje & Co. Ski- und Radfahren, Klettern, Wandern und Urlaub machen können. 2000 Meter hoch, mit Serpentinen, Pisten und einem Alpendorf.

Der Wille kann Berge versetzen

„Een grap“ (ein Scherz, ein Flachwitz, nicht mit „ein Grappa“ zu übersetzen), erklärte der Kolumnist nachträglich diese Schnapsidee. Doch Zonneveld hatte eine Lawine ausgelöst, wie er selbst einräumt: „Das Thema beschäftigt mich derzeit sehr“, so der Niederländer gegenüber dieser Zeitung.

Die breite Front der Interessierten, die derzeit in höheren Sphären schweben (nicht nur aus Sportvereinen, Radsport Union und nationalem Ski­verband), wächst täglich. ­Am Montag, so bestätigte Zonneveld gegenüber der WAZ-Mediengruppe, trafen sich Ingenieure, Geologen, Unterstützer aus Kommunen und mögliche ­Investoren zu einer Sitzung, in der Ideen einer Umsetzung diskutiert wurden. Der Wille kann eben Berge versetzen.

Die Menschen im Land der riesigen Tulpenfelder seien verrückt nach Bergen, meint Thijs Zonneveld und erzählt davon, dass manche seiner Landsleute sogar für einen ­einzigen Tag ins Sauerland fahren - nur um das Skifahren zu lernen. Apropos Sauerland: Was ist, wenn die potenziellen Urlauber in Zukunft im Land des einen Berges bleiben? Es wäre eine Katastrophe für Winterberg & Co. Jeder dritte Tourist in der Wintersport­metropole kommt aus den Niederlanden, im ersten ­Halbjahr 2012 stieg die Zahl der internationalen Über­nachtungsgäste im Sauerland - vornehmlich Niederländer - um 9 Prozent, bei der Zahl der Übernachtungen wurde ein Plus von 12,2 Prozent erzielt.

Oder doch ein Sommerloch-Thema?

Und doch: Den heimischen Touristikern stehen wegen der Gedankenspiele im Nachbarland keinesfalls die Haare zu Berge. Künstliche Wintersportanlagen, das bestätigte sich nach der Öffnung der Skihallen in Bottrop und Neuss, werden als Ergänzung genutzt, ersetzen aber keinen Urlaub in der richtigen Natur.

Während Thijs Zonneveld weiter Höhenluft schnuppert („Ich bin mir ziemlich sicher, dass ein Berg entstehen wird“), sehen Kritiker das mögliche Leuchtturmprojekt im Land der Grachten mehr unter dem Gesichtspunkt Sommerloch. Eine Zeitung fand die Formulierung „Hollands Wolkenkuckucksberg“. Gut möglich, dass das Projekt eines Tages über alle Berge sein wird.