Münster.. 2644 Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern verzeichnete das Landeskriminalamt NRW im Jahr 2010 – 136 mehr als im Vorjahr. „Und die Dunkelziffer ist hier wohl am häufigsten“, befürchtet Dr. Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Sie widmet sich dem Thema jetzt bei einem Forum in Münster.
Ärzte sind die wahren Profis, wenn es darum geht, Erkrankungen zu erkennen. Doch es gibt Fälle, so Dr. Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL), da versagen ihre Möglichkeiten. „Da sind die Wunden riesengroß, aber nicht sichtbar. Und wenn sie entdeckt werden, sind sie trotzdem kaum zu heilen.“ Stichwort: sexueller Missbrauch bei Kindern.
Auch die Ärztekammer will dieser „hochdramatischen Entwicklung“ Rechnung tragen und ihren Beitrag dazu leisten, dass die Zusammenarbeit der Beteiligten verstärkt und die Versorgung verbessert wird: Das diesjährige Kinderschutz-Forum der ÄKWL am nächsten Samstag in Münster beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Thema „Sexueller Missbrauch“ und fragt: Wie kann dieser Missbrauch frühzeitig erkannt werden, an wen können sich die Opfer wenden? Und kann das neue Bundeskinderschutzgesetz dazu beitragen, Kinder und Jugendliche wirksam vor Misshandlungen zu schützen?
Gesetz reicht noch nicht
Für Theodor Windhorst ist die Antwort schon klar. „Das seit Jahresbeginn geltende Gesetz bietet Ärzten stärker als bisher die Möglichkeit, Kinder vor Vernachlässigung, Verwahrlosung, Gewalt und Missbrauch zu schützen. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung.“ Doch auf der anderen Seite reiche es noch nicht aus. „Was das Gesetz nicht schafft, ist eine Vernetzung der Ärzte untereinander - das ist der Pferdefuß. Denn ich meine, das Kindeswohl geht über Datenschutz und auch über Elternschutz. Dreh- und Angelpunkt ist: Schweigen schützt die Falschen.“
Positiv wertete der Ärztepräsident hingegen, dass das neue Gesetz einen Stufenplan vorsieht: Es reicht von einer Verdachtsdiagnose bis zur Offenlegung des Privatgeheimnisses und sieht in einem Zwischenschritt auch eine enge Zusammenarbeit mit speziell geschulten Mitarbeitern des Jugendamtes vor - in diesem Stadium noch in anonymisierter Form.
„Unsere Hoffnung ist, dass durch das neue Gesetz mehr Kindern und Jugendlichen geholfen wird - und Ärzte nicht mehr die Angst haben, etwas falsch zu machen“, so Windhorst. Deshalb sei es wichtig, die Hürden beim Datenschutz niedriger zu legen, „damit sich die Ärzte ein Herz nehmen, ihren Verdacht zugeben und Hilfen erbitten.“