Tokio.. Die Lage im beschädigten japanischen Atomkraftwerk Fukushima-Daiichi ist weiter angespannt. Aus dem Meiler tritt offenbar weiter hochgiftiges Plutonium aus. Die Regierung erwägt nun, den Betreiber Tepco zu verstaatlichen.
Die Lage am beschädigten japanischen Atomkraftwerk Fukushima-Daiichi nimmt immer bedrohlichere Ausmaße an: Aus der Anlage tritt offenbar weiterhin hochgiftiges Plutonium aus. Das radioaktive Material sickere ins Erdreich ein, hieß es am Dienstag aus Behördenkreisen. Nach Angaben des Kraftwerksbetreibers Tepco wurde an mehreren Stellen außerhalb des Meilers Plutonium entdeckt. Der japanische Ministerpräsident Naoto Kan sprach mit Blick auf das Reaktorunglück und die Schäden durch das Erdbeben und den Tsunami im Osten des Landes von der "schwersten Krise Japans" seit dem Zweiten Weltkrieg.
Wie es weitergehe, sei noch unklar, aber Japan sei "in höchster Alarmbereitschaft", sagte Kan am Dienstag vor dem Parlament. "Die Situation ist sehr ernst", sagte Regierungssprecher Yukio Edano vor Journalisten. "Wir tun unser Möglichstes, um den Schaden zu begrenzen." Es gebe Hinweise darauf, dass die Radioaktivität außerhalb der Atomkraftwerke von beschädigten Brennstäben stamme. Die Opposition übte unterdessen heftige Kritik am Krisenmanagement Kans.
Unmut richtet sich vor allem gegen Tepco
Arbeiten im Problem-Reaktor
In Japan wachsen die Zweifel, dass es den Experten gelingt, die Atomkatastrophe unter Kontrolle zu bringen. Der Unmut richtet sich vor allem auch gegen den Kraftwerksbetreiber Tepco. Dazu passte ein Bericht der Tageszeitung "Yomiuri", in dem es hieß, das japanische Kabinett erwäge eine vorübergehende Verstaatlichung von Tepco. Dies wurde aber später von Edano und Tepco-Vertretern dementiert. Der Kurs der Tepco-Aktie gab aber am Dienstag an der Börse in Tokio um fast 20 Prozent nach.
Edano räumte ein, dass die japanischen Sicherheitsstandards nicht ausreichten, um die Anlage vor der Gewalt des Tsunamis zu schützen. Die Vorkehrungen hätten nicht genügt, sagte Edano. Wenn die aktuelle Krise vorüber sei, müssten die Sicherheitsstandards gründlich geprüft werden.
Arbeiter kämpfen an zwei Fronten
Im Atomkraftwerk Fukushima sind die Experten derzeit mit zwei scheinbar gegensätzlichen Arbeiten beschäftigt. Einerseits müssen sie die Brennstäbe mit Wasser kühlen, andererseits soll radioaktiv verseuchtes Wasser aus den Reaktorgebäuden abgepumpt und sicher gelagert werden. Das sei eine schwierige Arbeit, sagte ein Sprecher der Atomsicherheitsbehörde, Hidehiko Nishiyama. Arbeiter schichteten außerhalb der Gebäude Sandsäcke auf, um zu verhindern, dass das radioaktive Wasser im Erdboden versickert.
Dass Plutonium entdeckt worden sei, zeige die Schwere der Schäden, sagte Nishiyama. Es wird nur bei extrem hohen Temperaturen freigesetzt und zerfällt nur sehr langsam. Dadurch bleibt es über Jahrtausende gefährlich.
Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy will Japan angesichts der jüngsten Natur- und Atomkatastrophen bei einem Besuch am Donnerstag Unterstützung anbieten. Geplant ist nach Angaben seines Büros unter anderem ein Gespräch mit Ministerpräsident Kan. Sarkozy reise im Auftrag der Gruppe der 20 wichtigsten Industriestaaten (G-20), der Frankreich derzeit vorsteht.
Auch in China werden radioaktive Partikel gemeldet
In China sind in weiteren Regionen Spuren des radioaktiven Jod 131 in der Atmosphäre gemessen worden. Es sei in den Regionen Jiangsu, Shanghai, Zhejiang, Anhui, Guangdong und Guangxi im Südosten des Landes entdeckt worden, teilte das chinesische Umweltministerium mit. Eine Gefahr für die Gesundheit bestehe jedoch nicht. Bereits am vergangenen Wochenende hatten chinesische Behörden geringe Werte des radioaktiven Jod 131 in der Provinz Heilongjiang im Nordosten des Landes gemeldet.
Thailand kündigte die Vernichtung einer Süßkartoffel-Lieferung aus Japan wegen Spuren von radioaktiver Strahlung an. Dabei handele es sich um eine Vorsichtsmaßnahme, erklärte das thailändische Ernährungs- und Gesundheitsministerium am Dienstag. Die Strahlenbelastung der Süßkartoffeln läge deutlich unter dem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegten Grenzwert. (dapd)