Duisburg..
Martin Pehle ist Croupier im Casino Duisburg und will den Menschen im Jahr 2011 viel Glück bringen. Ein Job, der eine schnelle Auffassungsgabe, gutes Kopfrechnen und eine Menge Fingerspitzengefühl erfordert.
„Ihre Einsätze bitte“, sagt Martin Pehle, kurz, knapp und nüchtern. Dann dreht er das Kreuz, und der Kessel setzt sich in Bewegung. Er nimmt die kleine Elfenbeinkugel zwischen Daumen und Mittelfinger und lässt sie mit einem Schnipsen in Gegenrichtung rotieren. Mindestens 14 Umdrehungen sollte die Kugel zurückgelegt haben, bevor sie sich den Metallhindernissen in der Mitte des Kessels nähert. „Nichts geht mehr“, sagt Pehle jetzt. Der 29-Jährige ist Croupier am Roulette-Tisch des Westspiel-Casinos in Duisburg und ab Neujahr nach zweijähriger Probe- und Ausbildungszeit fest und unbefristet angestellt.
„Für mich ist damit ein großer Wunsch in Erfüllung gegangen“, sagt der gebürtige Brandenburger, der eigentlich in der Krankenpflege gelernt hatte und dann nach Bochum ging, um Sportmanagement zu studieren. Doch der Lebensunterhalt musste finanziert werden. Also nahm Pehle einen Job bei einem privaten Pokerveranstalter an, die vor einigen Jahren wie Pilze aus den Boden schossen.
Vor zwei Jahren hat er angeheuert
Einmal Feuer gefangen, heuerte Pehle vor zwei Jahren beim öffentlich-rechtlichen Casinobetreiber Westspiel an. Auch dort wird an vier Tischen geblufft. Außerdem steht Blackjack, eine amerikanische Variante des Kartenspiels 17+4 auf dem Programm des klassischen Spiels in der ersten Etage im Citypalais. Und natürlich Roulette.
„Das ist die Königsklasse des Glücksspiels“, sagt Martin Pehle mit leuchtenden Augen. An bis zu 18 Tischen können in Duisburg Chips im Wert von einem Euro für Einsteiger bis zu zehn Euro für Profi-Zocker gesetzt werden. „Nirgendwo sonst gibt es so viele Varianten und Kombinationen.“ So können die Spieler zum Beispiel einfach nur auf eine Farbe - Rot oder Schwarz - setzen. Oder auf eine oder mehrere Zahlen von 0-36 (plein), auf gerade (pair) oder ungerade (impair), auf niedrige (manque, 1-18) und hohe (passe, 19-36) Zahlen. Und natürlich noch auf viel mehr französisch benannte Formationen von Carré (vier angrenzende) bis Cheval (zwei benachbarte Zahlen auf dem Tableau).
Doch immer gilt dieselbe Regel. Sobald die Kugel das Metallhindernis in der Mitte erreicht, geht nichts mehr. Und während Martin Pehle noch an den Bildschirmen, auf die das Spielgeschehen übertragen wird, plaudert, wechselt ein Croupier-Kollege gegenüber am Tisch 10.000 Euro in Chipsberge a 10 Euro. „Ein Stammkunde“, flüstert Pehle. „Wale“, werden solche Kunden in Las Vegas genannt. Mehrmals in der Woche kommt der Mann asiatischer Herkunft ins Duisburger Casino, gewinnt oder verliert hier hohe Summen.
„Ich muss immer den richtigen Ton treffen“
Stets mit dem identisch freundlichen Gesichtsausdruck. „Ihm bei einem Gewinn mal ein kurzes Lächeln zu entlocken, das ist schon die hohe Schule für einen Croupier“, erklärt Pehle. Zu den Anforderungen gehört nicht nur eine schnelle Auffassungsgabe und gutes Kopfrechnen, sondern auch eine Menge Fingerspitzengefühl. „Ich muss immer den richtigen Ton treffen, auch wenn ein Kunde gerade eine Menge Geld gewonnen oder verloren hat.“ Offensichtlich können das nicht nur Männer, sondern auch immer mehr Frauen. „Rund die Hälfte unserer Croupiers sind Frauen“, so Westspiel-Sprecher David Schnabel.
Von diesem guten Ton – egal ob männlich oder weiblich - hängt auch das Gehalt der Croupiers ab. Zwar gibt es ein vertraglich fixiertes Grundgehalt, doch in der Regel speist sich der Lohn komplett aus den gesammelten Trinkgeldern, die bei Gewinnen als Zeichen der Anerkennung für einen guten Job abfallen. „Es ist kein Muss, aber gehört zum guten Ton in den Casinos“, so Pehle.
Auch im Duisburger Casino, das seine Spitzenerträge in der Westspiel-Gruppe auch den 354 blinkenden Spielautomaten im Erdgeschoss verdankt, reichen die Trinkgelder, um das Grundgehalt der Croupiers zu decken. Selbst in schwächeren Monaten. „Mitten im Sommer während der Fußball-Weltmeisterschaft klappt`s vielleicht mal nicht“, sagt der 29-Jährige. Aber dann muss es schon dicke kommen.
Privat spielt er übrigens selten
45 Minuten pro Stunde steht der adrette Endzwanziger am Spieltisch, danach wird gewechselt. Stets unter der strengen Aufsicht des Pit-Bosses – dem Herr über mehrere Spieltische. Ein Bereichsleiter wird „Floorman“ genannt. Eine Stufe auf der Karriereleiter, die der neue Chef des Spielcasinos, der 48-jährige Jochen Braun, auch erklommen hat. Seit Anfang Dezember ist er nun alleiniger Chef in Duisburg und hat die Nachfolge der langjährigen Casino-Leiterin Claudia Bieling übernommen, die ins neue Westspiel-Haus nach Bremen gewechselt ist.
Martin Pehle selbst spielt privat übrigens selten. In den Westspiel-Casinos schon gar nicht. Das ist streng untersagt. Nicht erst, seitdem die Staatsanwaltschaft gegen neun ehemalige Croupiers ermittelt, die gemeinsam mit zwei Spielern das Duisburger Casino um 144.000 Euro geprellt haben sollen. Aufgeflogen ist der Schwindel im September übrigens durch die Videoüberwachung an den Tischen.
Und wenn Pehle anderswo Chips oder Jetons in die Hand nimmt, dann agiert er stets vorsichtig. „Ich weiß, wo meine Grenzen liegen“, sagt er und wirft die Kugel ein weiteres Mal ein. Wieder und wieder. Mehrere hundert Mal am Abend.