Essen. Nur knapp zwei Jahre hat die rot-grüne Minderheitsregierung gehalten, dennoch hat sich einiges bewegt, wie ein analytischer Streifzug durch wichtige Felder der NRW-Politik zeigt.

Zu Beginn der Regierungszeit hat die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft der Finanzpolitik ihren Stempel aufgedrückt. Besser sei es, Geld in die sozialpolitische Vorsorge zu stecken, statt hinterher dem Staat die Reparaturarbeiten zu überlassen. Auf diesem Weg ist die Regierung voran gekommen, hat Mittel in kommunale Betreuungszentren gesteckt, ein Gesetz zur Beitragsfreiheit des 3. Kindergartenjahrs verabschiedet.

Allerdings war diese Politik auf Grund der hohen Neuverschuldung angreifbar. Im Herbst 2011 vollzog die rot-grüne Minderheitsregierung eine Wende und setzte sich für eine zuvor abgelehnte Schuldenbremse mit Verfassungsrang ein. Damit hat Finanzminister Norbert Walter-Borjans  (SPD) an Profil gewonnen, ebenso mit seiner harten Haltung im Vorgehen gegen Steuersünder in der Schweiz. Im Umgang mit der WestLB-Krise, die dem Land Milliarden-Belastungen beschert, wurde kritisiert, die Sparkassen als Miteigentümer seien zu glimpflich davongekommen.

Fazit: Die Widersprüche in der Finanzpolitik wurden nie ganz aufgelöst, Handschrift: rot.

Hier hat die Regierung einen guten Teil ihres Aufgabenheftes aus dem Koalitionsvertrag abgearbeitet. NRW hat sich das bundesweit erste Klimaschutzgesetz gegeben, zum Unmut der Industrie. Das Umweltministerium unter Führung des Grünen Johannes Remmel hatte die Federführung – und die Macht: Die Abteilung Energie-Planung wechselte aus dem Wirtschafts- ins Umweltministerium. Auch in diesem für NRW und das Ruhrgebiet enorm wichtigen Politikfeld gab es im Lauf der Zeit Veränderungen. Hannelore Kraft nahm sich mehr und mehr des Themas an, machte sich zur Stimme der energieintensiven Unternehmen, warnte vor den Folgen einer planlosen Energiewende. Sie bekam die Zuständigkeit für Wirtschaft und Energie im SPD-Bundesvorstand und nutzte  geschickt die Möglichkeit, sich als Stimme der ökonomischen Vernunft gegen den Umweltminister und NRW-CDU-Chef Norbert Röttgen zu positionieren. Kuriose Situationen spielten ihr in die Karten, etwa wenn CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann in Düsseldorf gegen den „Öko-Taliban“ Remmel wetterte, derweil Röttgen in Berlin Photovoltaik-Subventionen verteidigte.

Fazit: Kraft punktet zunehmend, auch im Verhältnis zur Wirtschaft. Handschrift: operativ grün, Außendarstellung: rot.

Obwohl das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz die Energiepolitik nicht im Titel führt, so hat sie Remmel maßgeblich mitbestimmt. Das Ministerium nutzte seine Querschnittsaufgaben außerordentlich geschickt, machte sich im Verbraucherschutz etwa beim Thema Antibiotika-Hähnchen einen Namen. Niederlagen musste Remmel allerdings auch einstecken wie beim verunglückten Gesetz zu Dichtigkeitsprüfungen von Abwasserkanälen.

Fazit: Der Zuschnitt des Hauses machte Remmel zum heimlichen Wirtschaftsminister. Handschrift: knallgrün.

Das Themenfeld geriet zum Problemkind der Regierung, was schon der Titel des Ministeriums für Wirtschaft, Bauen, Wohnen, Energie und Verkehr vermuten ließ. Ein Superministerium mit einer Super-Bürokratie. Minister Harry Voigtsberger (SPD) bekam den Apparat nicht in den Griff. Auf Grund der Stärke des Umweltministeriums in der Energie- und Umweltpolitik blieben Voigtsberger wenige Profilierungsmöglichkeiten. Das Fremdeln zwischen Wirtschaft und dem Minister war anfangs deutlich spürbar, der Einsatz seines Hauses für ein strikteres Nachtflugverbot trug dazu bei. Später besserte sich das Verhältnis insbesondere zum Mittelstand, die Industrie ist dem Minister bis heute fern. Möglichkeiten zur Profilierung nutzte vor allem der parlamentarische Staatssekretär für Verkehr, der Grüne Horst Becker. Die Reduzierung der Straßenbauvorhaben – nach Lesart des Ministeriums eine Anpassung an die Realität der zur Verfügung stehenden Mittel –, bot Angriffsfläche insbesondere im überlasteten Ruhrgebiet.

Fazit: Das Ministerium blieb insgesamt blass. Handschrift: mehr grün als rot.

Das Ministerium unter dem früheren Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in NRW, Guntram Schneider (SPD), machte im Kampf gegen prekäre Beschäftigung und Mindestlöhne von sich reden, zuletzt mit einer Bundesratsinitiative gegen Schein-Werkverträge. Schneider blieb Gefangener seiner Gewerkschaftsvergangenheit.

Fazit: Unter den Erwartungen, Handschrift: DGB-Rot