Märkischer Kreis/Düsseldorf..
Die Auflösung der Landesregierung hat gravierende Auswirkungen auf dem Märkischen Kreis. Selbst mancher Politiker wurde von der Entwicklung am Mittwoch kalt erwischt:
SPD
„Für das Verhalten der FDP habe ich kein Verständnis“, sagte der SPD-Unterbezirksvorsitzende und Landtagsabgeordnete Michael Scheffler Minuten nachdem gestern die Auflösung des Landtages klar war. „Wir hatten noch ein Gespräch geplant“, so der Iserlohner SPD-Politiker. Deshalb hätten sich die Liberalen gestern durchaus enthalten können. „Da wäre noch ein Kompromiss drin gewesen.“ – „Das war von uns nicht gewollt“, betont der Lüdenscheider SPD-Abgeordnete Gordan Dudas. Dass die CDU das Gesprächsangebot von rot-grün sofort abgelehnt habe und FDP und Linke die Tür, die von der SPD geöffnet wurde, auch zugeschlagen hätten, zeige, „dass es nicht um das Wohl des Landes sondern nur um parteitaktisches Kalkül ging“, sagte Dudas der WR.
Für die Kommunen im Märkischen Kreis hat die Auflösung des Landtages massive Folgen. Scheffler: „Ohne beschlossenen Haushalt gibt es auch keine Fördermittel.“ Da gleichzeitig das Gemeindefinanzierungsgesetz weiter auf Eis liege, müssen die Städte und Gemeinden zunächst ohne Schlüsselzuweisungen kalkulieren. Gerade für Orte mit hohem Defizit sei das schwierig. Iserlohns Kämmerer Friedhelm Kowalski, der derzeit mit einem Kontokorrent-Kredit von 51 Millionen Euro arbeiten müsse, sei froh gewesen, dass die Schlüsselzuweisungen in greifbarer Nähe waren, weiß der Iserlohner Landespolitiker Scheffler. – „Dass die Städte und Gemeinden jetzt blockiert werden und zunächst keine Schlüsselzuweisungen erhalten, haben sie der Opposition zu verdanken“, stellt Gordan Dudas klar. Auf einige Kommunen werde sich das dramatisch hauswirken. „Jetzt hat der Wähler die Chance, Klarheit zu schaffen“, so Dudas am Mittwochnachmittag: „Ich gehe nicht kampflos aber zuversichtlich in den Wahlkampf.“
Der ist offenbar eröffnet. Beide stiegen am Mittwoch direkt in den Wahlkampf ein. Dudas wie Scheffler gehen von einer erneuten Kandidatur für die SPD aus. „Natürlich muss ich in der Unterbezirks-Konferenz eine Mehrheit bekommen“, räumt Gordan Dudas ein. An seiner eigenen Bereitschaft, bei vorgezogenen Neuwahlen wieder anzutreten, lässt der Lüdenscheider SPD-Abgeordnete keinen Zweifel. „Ich werbe dafür, die Politik, die wir begonnen haben, fortzusetzen.“ Wenn es nach ihm gehe, bleiben die Studiengebühren abgeschafft, der Stärkungspakt Stadtfinanzen werde vorangetrieben und die zweite Stufe des Kinderbildungesetzes (Kibiz) endlich umgesetzt, so Dudas weiter.
Auch Inge Blask will es noch einmal wissen: „Ich bin bereit, wenn mich die Partei nominiert.“ Im Jahr 2010 lag sie zwar bei den Erststimmen mehr als acht Prozentpunkte hinter Wolfgang Exler. Dennoch rechnet sie sich diesmal Chancen aus: „Jeder Wahlkampf ist ein neuer Wahlkampf.“ Sie kann sich auch vorstellen, mit den Grünen zu reden: Würden diese auf einen eigenen Kandidaten verzichten, hätte Rot-Grün – das Wahlergebnis 2010 zu Grunde gelegt – wohl Chancen, Wolfgang Exler das Direktmandat streitig zu machen. Allerdings: Inge Blask bekräftigte am Mittwoch gegenüber der WP, dass sie den Weiterbau der A 46 befürworte. Die Grünen und auch der Mendener SPD-Ortsverein sind aber dagegen.
CDU
„Das hat uns alle von den Socken gehauen“, zeigte sich der Mendener Abgeordnete Wolfgang Exler überrascht – und: „Ich würde wieder antreten, wenn mich die CDU wieder aufstellt.“ Exler unterstützt Neuwahlen: „Wir brauchen klare Verhältnisse.“ Mit einem Wiedereinzug der FDP rechnet er nicht, sieht aber eine Chance, dass die CDU wieder in Regierungsverantwortung kommt: „Kann doch sein, dass wir mit den Grünen besser klar kommen als die SPD.“ Er habe damit gerechnet, dass FDP oder Linke noch einknicken, so der CDU-Kreisvorsitzende Thorsten Schick.
Während für die CDU in zwei Wahlkreisen im Märkischen Kreis bereits alles klar scheint, darf im Süden noch fleißig spekuliert werden. Wolfgang Exler will im Wahlkreis 122 (Balve, Hemer, Menden, Neuenrade, Plettenberg) sein Mandat verteidigen. Kreisvorsitzender Thorsten Schick steht für den Wahlkreis 121 (Altena, Iserlohn, Nachrodt, Werdohl) erneut zur Verfügung. Der Kreis- und stellvertretende Bezirksvorsitzende wollte noch am Mittwoch die CDU-Vorsitzenden der Wahlkreisstädte kontaktieren. Das zuständige Gremium für die Nominierung ist eine Mitgliederkonferenz, zu der kurzfristig eingeladen werden soll. Dass Schick dort auf Gegenkandidaten trifft, gilt als eher unwahrscheinlich.
Im Wahlkreis 123 (Halver, Herscheid, Kierspe, Lüdenscheid, Meinerzhagen, Schalksmühle) habe Bernd Schulte zwar eine große Lücke hinterlassen, so Schick: „Die können wir aber ganz sicher schließen.“ Namen mochte der Kreisvorsitzende noch nicht nennen. Nur so viel: „Es gibt einen Interessenten, der hundertprozentig geeignet ist.“ Mit dem hat Schick wohl auch bereits gesprochen. Ob weitere hinzukommen, bleibe abzuwarten.
Grüne
„Als Grüner finde ich Neuwahlen gut. Dann haben wir endlich eine klare rot-grüne Linie und müssen die Entscheidungen nicht immer verwässern“, so der Kreisvorsitzende der Grünen, Harald Eufinger. Er selbst sei aber überrascht worden: „Es war nicht unbedingt zu erwarten, dass FDP und Linke sich derart verkalkulieren.“ Möglicherweise habe die FDP nicht geglaubt, dass die CDU der Auflösung des Landtages zustimme. Angesichts der aktuellen Umfragewerte erwartet Eufinger „zu 99 Prozent“ eine rot-grüne Mehrheit im neuen Parlament und vielleicht den Einzug der Piraten in den Landtag.
FDP
Wirklich fröhlich sei sie nicht, sagte Angela Freimuth der WR. „Es war schon überraschend, denn die rechtliche Einschätzung zu dem Verfahren war bis zum Vorabend eine andere“, so die Liberale Vizepräsidentin des Landtages. Als treibende Kräfte für die Entwicklung sieht die Schalksmühlerin die CDU und die Grünen. „Wir wollen einen Stopp der hemmungslosen Verschuldungspolitik und wollten in diesen Tagen Möglichkeiten ausloten, ob es Verständigungsbereiche für eine Abkehr gibt.“ Für alle Bereiche, die finanziell am Haushalt des Landes hängen, sei die gestrige Entwicklung ein Desaster. Frühestens im September werde es nun Haushaltsrecht in NRW geben.
Für ihre Partei sei die Ausgangslage bei Neuwahlen im Mai nun denkbar schwierig. „Ich bin zwar noch nicht ganz im Wahlkampf-Modus“, so Angela Freimuth: Es gebe aber eine ganze Reihe von Themen, mit denen die FDP ins Rennen gehen werde. Zwei Stunden nach dem Auflösungsbeschluss sagte sie zu ihrer eigenen Zukunft als Abgeordnete nur soviel: „Ich werde alles tun, was zu einem erfolgreichen Abschneiden der FDP beiträgt.“
Linke
„Das war zu erwarten“, kommentiert die Fraktionsgeschäftsführerin der Linken im Kreistag, Anja Claus, das Abstimmungsverhalten ihrer Fraktion. „Wir können nicht nicht immer nur Mehrheitsbeschaffer sein, wenn die Regierung sich nicht auf uns zubewegt“, verweist sie auf die Forderung nach einem NRW-weiten Sozialticket. „Das war für uns einer der Knackpunkte.“ Dass den Linken nun das Scheitern an der 5-Prozent-Hürde droht, dürfe dabei keine Rolle spielen: „Schlechte Umfragen können kein Grund sein, etwas mitzutragen, was man eigentlich nicht mittragen kann.“
Piraten
Bei den Piraten im Kreis liefen gestern „die Drähte heiß“, berichtet deren Sprecher Hugo Trawny. Zwar habe die Partei damit gerechnet, dass es so kommt, aber so schnell dann eben doch nicht. Obwohl die etwa 50 MK-Piraten eigentlich erst im Mai einen Kreisverband gründen wollten, gibt Trawny sich zuversichtlich: „Wir werden vor Ort Wahlkampf machen und wir rechnen damit, dass wir in den Landtag reinkommen.“ Angst, dass dieser Schritt für seine Partei zu früh kommen könnte, hat der Altenaer nicht.
Landtagswahl 2010
Bei der Landtagswahl 2010 holten Michael Scheffler (SPD/WK 121), Wolfgang Exler (CDU/WK 122) und Gordan Dudas (SPD/WK 123) die Direktmandate im Märkischen Kreis. Scheffler schaffte den Einzug ins Landesparlament vor allem durch regen Zuspruch aus Werdohl und Altena.
Die CDU musste schwere Verluste hinnehmen, auch die SPD verlor Stimmen. Die Grünen steigerten sich kreisweit von 4,2 auf 8,7%; die FDP legte leicht zu.