Berlin/Köln. Nach den Berichten über eine Meuterei unter den Kadetten der „Gorch Fock“ gerät die die Ausbildung auf dem Segelschiff ins Zwielicht. Durfte die junge Frau, die im November tödlich abstürzte, überhaupt in die Rahen?

Angesichts der neuen Berichte über den Tod einer Offiziersanwärterin auf der „Gorch Fock“ wird aus der SPD Kritik an den Zuständen auf dem Bundeswehr-Segelschulschiff laut. Es stelle sich die Frage, „ob dieses tragische Unglück vermeidbar gewesen wäre“, sagte der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Offensichtlich sei Druck auf in Ausbildung befindliche Soldaten ausgeübt worden, auf die hohen Masten zu klettern. „Hier wird es sehr, sehr ernst“, sagte Arnold.

Die 25-jährigen Marine-Soldatin Sarah Lena Seele war im November vergangenen Jahres aus der Takelage der „Gorch Fock“ auf das Deck gestürzt. Sie starb kurz darauf an den Folgen des Unfalls. Laut „Kölner Stadt-Anzeiger“ hätte die Offiziersanwärterin gar nicht auf den Mast klettern dürfen, weil die 1,59 Meter große Frau die vorgeschriebene Mindestsgröße unterschritten habe.

„Ausbildung auf dem Schiff hat sich über viele Generationen bewährt“

Der Bundeswehrverband, eine Vertretung der Soldaten, stellte sich am Donnerstag hinter die Ausbildung auf der Gorch Fock: Man müsse nun prüfen, ob Sicherheitsbestimmungen verletzt worden seien, sagte Verbandschef Ulrich Kirsch dem Hamburger Abendblatt.. „Wenn es so war, dann geht das zulasten der Ausbilder“, sagte Kirsch. Es gebe aber keine bessere Ausbildung als auf einem Schiff, wenn es um den Crew-Gedanken geht. „Das hat sich über viele Generationen bewährt, und es wird sich auch in Zukunft bewähren“, sagte Kirsch.

Nach dem tödlichen Sturz einer Kadettin aus der Takelage des Segelschulschiffs „Gorch Fock“ im November hatten Kameraden den Ausbildern massiven Druck bis hin zur Nötigung vorgeworfen. Dies geht aus einem Brief des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus (FDP) an den Verteidigungsausschuss hervor. Nach dem Vorfall kam es demnach zu Spannungen zwischen der Crew und der Schiffsführung, die vier der Offiziersanwärter der Meuterei beschuldigte.

„Den Kadetten wurde gedroht“

Demnach berichteten die Kadetten von massivem Druck der Ausbilder hinsichtlich des - freiwilligen - Aufenterns, also des Hinaufkletterns in die Takelage. Wollte jemand nicht aufentern, sei „zum Teil sehr starker Druck aufgebaut worden. Von manchen wurde dies als Nötigung empfunden“, schreibt Königshaus. Den Kadetten sei gedroht worden, andernfalls nicht mehr Offizier werden zu können. Es seien Sätze gefallen wie „Wenn Sie nicht hochgehen, fliegen Sie morgen nach Hause“ oder „Wenn Sie das nicht schaffen, wie wollen Sie dann Menschen führen?“ So sei auch ein Offiziersanwärter mit ausgeprägter Höhenangst dazu gebracht worden, auf den höchsten Mast zu klettern.

Nach dem tödlichen Sturz ihrer Kameradin aufs Deck am 7. November hätten „viele nicht mehr aufentern“ wollen, „andere wollten nicht mit der Gorch Fock weiterfahren“, schreibt der Wehrbeauftragte. Zwei von der Schiffsführung als Vermittler eingesetzte Offiziersanwärter wurden demnach von Kommandant und Erstem Offizier kurz darauf mit dem Vorwurf der Meuterei und des Aufhetzens der Crew konfrontiert.

Auch ein Fall von sexueller Nötigung wird angesprochen

Die beiden und zwei weitere Kadetten sollten noch vor dem erneuten Auslaufen der „Gorch Fock“ abgelöst und zurück nach Deutschland geflogen werden. Dabei ging es den Erkenntnissen von Königshaus zufolge auch um die Aberkennung der Eignung zum Offizier. Als kurz darauf die Ausbildung auf dem Schiff vorerst ausgesetzt worden sei, nahm die Schiffsführung diese Maßnahme zurück.

Königshaus hat dem Brief zufolge den Inspekteur der Marine um eine Untersuchung der Vorfälle gebeten und auch das Verteidigungsministerium informiert. In dem Brief geht es zudem um einen Fall sexueller Belästigung eines Obergefreiten durch Kameraden.

Einem Bericht von „Spiegel Online“ zufolge sorgten die Vorwürfe am Mittwoch im Verteidigungsausschuss für hitzige Diskussionen. Die Bundeswehr sagte nach Angaben von Ausschussmitgliedern demnach zu, die Berichte umgehend zu prüfen und gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen.

afp/dapd