Berlin. Die Kulturhauptstadt verkauft sich bei der Internationalen Tourismusbörse Berlin als Region der Superlative und scheut sich nicht, auch das Populärste unter den großen Begriff "Kultur" zu fassen: Es entsteht ein buntes Bild von Kunst bis Döner.
Auf der Suche nach einer einprägsamen Formel für die Kulturhauptstadt 2010 ist Fritz Pleitgen zu folgendem Ergebnis gekommen: „In Europa gibt es keine andere Region mit so viel Kultur pro Quadratmeter wie das Ruhrgebiet.“
Das ist ein Superlativ, der Außenstehende überrascht und gleichzeitig die schwierigen Befindlichkeiten in der Region berücksichtigt. Das Ruhrgebiet hat eben nicht den Louvre, sondern 200 Museen verteilt auf 53 Städte. Und die bewirbt Ruhr 2010-Chef Pleitgen nun als Metropole von morgen, als riesige Spielstätte – und als „Reiseziel mit Entwicklungspotential“.
So sagt er es am Dienstag zur Eröffnung der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin und dankt für die Chance, die die größte Reisemesse der Welt dem Ruhrgebiet eingeräumt hat: Als erste Region nämlich erhält es den besonderen Rang eines ITB-Partnerlandes; in den beiden Vorjahren waren das Indien und die Dominikanische Republik.
Vor allem für ausländische Berichterstatter dürfte das aktuelle Reiseziel ungleich exotischer sein, wissen sie doch nicht, was sie hier erwartet. Die Antwort gibt in Berlin zunächst ein rasanter Imagefilm, der Mountainbiker und Montanindustrie gegeneinander schneidet, der zum Tanz auf der Halde bittet und Ballsport mit Bühnenkunst kombiniert.
Mindestens ebenso rasant fegt Fritz Pleitgen anschließend über sein Redemanuskript hinweg, lässt vorformulierte Sätze hinter sich, um von einer „unkonventionellen Region voller Kontraste und Dynamik“ zu schwärmen.
„Zeche Zollverein – das ist unser Neuschwanstein”
Weil aber eine diffuse kulturelle Vielfalt allein keinen Besuchermagneten macht, nennt er schließlich „Top-ereignisse“ wie den Auftritt von 70 000 Sängern in der Arena Auf Schalke, oder er stellt die Zeche Zollverein als „unser Neuschwanstein“ heraus, wo nun statt Kohle die Kunst gefördert werde. Es ist die Geschichte von Struktur- und Imagewandel, die Fritz Pleitgen in Berlin erzählt, es ist ein Anreden gegen das klebrige Image vom grauen Pott.
Auch der Messestand feiert diesen Imagewandel mit Hochglanzbildern, auf denen die großen Industriekathedralen als Spielstätten und Denkmäler auftreten, vom Grauschleier befreit und gut ausgeleuchtet.
Seine einzigartige Kulturdichte präsentiert das Ruhrgebiet hier in Berlin auf gut 400 Quadratmetern, wobei unter dem stark erweiterten Oberbegriff „Kultur“ auch der Gelsenkirchener Zoo, die Bottroper Skihalle, die Cranger Kirmes und BVB-Fans ins Bild gerückt werden.
Damit solche Vielfalt nicht beliebig wirkt, hat man Städte und Themen unter fünf Überschriften wie „Spektakulär und populär“ oder „Festspielplatz Ruhr“ zusammengefasst. Und im zentralen Rondell soll nicht allein der Informationshunger der Messegäste gestillt werden, hier serviert der „FC Ruhrgebiet“ auch eine neue Esskultur mit Kreationen wie dem Parmesan-Döner. „Es gibt im Ruhrgebiet keine eigene Kochtradition, darum greifen wir auf rheinische und westfälische Traditionen zurück und paaren sie mit kulinarischen Migrationseinflüssen“, erklärt Oliver Sopalla vom FC Ruhrgebiet.
Da ist sie wieder, diese (multi-)kulturelle Vielfalt, die sich nach außen so schwer verkaufen lässt. Aber auch hier hat Pleitgen einen Slogan gefunden: Schmelztiegel sei das Ruhrgebiet oder gar „ein deutsches New York.“
So gesehen, dürfte es nicht allzu vermessen sein, dass er sich für 2010 sieben Millionen Übernachtungsgäste erhofft.
Kultur- und Städtereisen liegen im Trend
Insgesamt 11 098 Aussteller aus 187 Ländern nehmen in diesem Jahr an der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin teil. Die Zahl der Aussteller ist damit trotz der Wirtschaftskrise beinahe stabil geblieben, im Vorjahr waren es 11 147. Die Deutschen erwarben sich im Jahr 2008 erneut den Titel der Reiseweltmeister, keine andere Nation gab mehr Geld für Auslandsreisen aus. Zu Beginn dieses Jahres hat es allerdings einen leichten Buchungsrückgang gegeben. Neben Kreuzfahrten liegen übrigens Kultur- und Städtereisen derzeit im Trend.