Essen/Köln. Der milde Winter und ein früher Frühling sorgen für laufende Nasen und geschwollene Augen. Experten raten, die Pollenallergie nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Behandlungsmöglichkeiten gibt es viele. Oft helfen schon Tropfen oder Sprays, erleichert durch die Heuschnupfenzeit zu kommen.

Von Haselpollen bis zur Hausstaubmilbe: wir können auf alles Mögliche allergisch reagieren. Für rund 16 Prozent aller Deutschen bedeutet allerdings Blütezeit von Bäumen und Gräsern die größte Leidensphase – und sie dauert diesmal durch die milden Temperaturen im Winter besonders lange. Der Deutsche Allergie-und Asthmabund (DAAB) beobachtet, dass der Pollenflug Jahr für Jahr früher einsetzt – jetzt ging es schon rund um Silvester los. Die Experten schlagen Alarm: Nur zehn Prozent der Allergiker werden nach Angaben des DAAB sinnvoll behandelt.

Wie entwickelt sich eine Allergie?

„Es ist nicht wie bei einem Giftstoff. Den nimmt man ein und fällt im schlimmsten Fall tot um. Bei einer Allergie muss erst vom Immunsystem eine Antwort auf das Allergen produziert werden, also konkret Antikörper“, sagt Professor Ralph Mösges, Hals-Nasen-Ohrenarzt, Allergologe und Leiter des Lehr- und Forschungsgebietes Medizinische Informatik an der Universität zu Köln. Beim nächsten Kontakt mit diesem Allergen – zum Beispiel Haselpollen – reagiere der Körper dann aber massiv, so als wäre das Allergen eine giftige Substanz. Er versucht, sich dagegen zu schützen, indem etwa die Nase läuft, um das Allergen auszuschwemmen. „Oder der Patient niest, um das Allergen loszuwerden. Nach einiger Zeit geht die Nase zu, damit die Allergene nicht weiter in den Körper eindringen können“, erläutert Mösges.

Ein wenig Heuschnupfen ist doch harmlos – oder sollte ich etwas dagegen unternehmen?

„Es gibt keine Richtlinie dafür, was wann zu tun ist, das kommt auf den individuellen Leidensdruck an“, erklärt der Essener HNO-Arzt und Allergologe Heinz-Gerd Richter. Er beobachtet allerdings mit Sorge, dass sich viele Patienten fast selbstverständlich frei verkäufliche Antiallergika in der Apotheke besorgen – manchmal das ganze Jahr über. „Diese Patienten bekommen wir Ärzte dann oft erst zu sehen, wenn sich der Heuschnupfen zu einem Asthma entwickelt hat. Ein solcher sogenannter Etagenwechsel ist gefährlich, dadurch entzünden sich die Atemwege chronisch – das kann schlimmstenfalls tödlich sein“, sagt der Mediziner. Er empfiehlt, möglichst früh gemeinsam mit einem Allergologen die richtige Behandlungsweise herauszufinden, bevor sich die Allergie ausweitet.

Was sind außer der laufenden Nase Allergie-Anzeichen, die ernst zu nehmen sind?

Die ersten Symptome werden häufig fälschlicherweise mit denjenigen eines Infekts verwechselt: die Augen werden schwer, man fühlt sich unausgeschlafen, obwohl man früh zu Bett gegangen ist. HNO-Experte Heinz-Gerd Richter: „Dadurch sinkt die Leistung am Arbeitsplatz – und Schüler, die unter einer Allergie leiden, bekommen während der Heuschnupfenzeit oft schlechtere Noten.“ Eine englische Studie weist nach, dass solche Kinder durchschnittlich ein Schuljahr verlieren können. Zur Diagnose einer Allergie zählen Haut- und Bluttests: Dabei werden, je nach Testverfahren, Proben möglicher Auslöser auf die Haut aufgetragen, eingeritzt oder eingespritzt. Wenn sich Pusteln oder Quaddeln bilden, reagiert der Körper positiv auf das Allergen.

Muss eine Behandlung gleich mit Spritzen oder Tabletten starten?

„Nein“, sagt HNO-Experte Heinz-Gerd Richter aus Essen, der seine Patienten erst eine Heuschnupfensaison lang begleitet, indem er ihnen die Qual der verstopften Nase nimmt – durch Tropfen oder Sprays mit Cortison, die zwei Mal täglich benutzt werden. „In dieser Zeit kann auch eine Nasensalbe oder -emulsion helfen, die die Schleimhaut feucht hält und so einen Schutz gegen die Pollen aufbaut.“ Auf diese Weise nimmt der Arzt dem Allergiker oft auch das Kratzen im Hals, das dadurch ausgelöst wird, dass er die Pollen durch den Mund einatmet. Fühlt sich der Heuschnupfengeplagte durch die Behandlung besser, gilt es nach der Heuschnupfenzeit zu überlegen, ob und auf welche Weise eine Hyposensibilisierung infrage kommt.

Welche Formen der Hyposensibilisierung gibt es – und wie erfolgreich sind sie?

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Bei einer solchen Behandlung wird der Körper über drei bis fünf Jahre an das Allergen gewöhnt. „Damit haben wir bei 60 bis 70 Prozent der Patienten Erfolg“, sagt Heinz-Gerd Richter, und Professor Mösges ergänzt: „Im Idealfall reagiert das Immunsystem dann gar nicht mehr, wenn es mit dem Allergen in Kontakt kommt.“ Um dies zu erreichen, verabreicht der Arzt das Allergen in immer stärkeren Dosen. Das geschah lange Zeit nur über wöchentliche Spritzen. Mittlerweile gibt es aber auch die sogenannte sublinguale Immuntherapie mit Tabletten oder Tropfen, die der Allergiker während der Heuschnupfensaison und manchmal das ganze Jahr über täglich unter die Zunge nimmt, wo sie sich langsam auflösen. Wichtig: Eine erfolgreiche Behandlung muss möglicherweise nach zehn Jahren aufgefrischt werden, damit die Wirkung anhält.

Was für Nebenwirkungen gibt es?

Bei manchen schwillt die Zunge an, wenn sie die Tabletten oder Tropfen einnehmen. „Diese Nebenwirkung verschwindet aber nach spätestens 14 Tagen“, erklärt Allergologe Mösges. Die Spritze kann nach seinen Worten schon mal zu geschwollenen Armen führen. Der befürchtete anaphylaktische Schock, bei dem der Allergiker einen Blutdrucksturz erleidet und möglicherweise bewusstlos wird oder gar stirbt, ist allerdings laut Heinz-Gerd Richter sehr selten: „Ich habe einen solchen Fall in 35 Jahren Praxiserfahrung noch nicht erlebt.“ Es komme allerdings vor, dass eine Hyposensibilisierung keine Wirkung zeige: „Dann behandeln wir die Symptome und hoffen auf die Wissenschaft: Sie wird es uns ermöglichen, dass wir demnächst die Therapie anpassen können, indem wir die Eiweißanteile in der verabreichten Lösung individuell dosieren.“

Hier gibt es Hilfe

Mehr Infos gibt es beim Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB): 02161/81 49 40.

Am 30. März ab 10 Uhr laden das Uniklinikum Düsseldorf und Düsseldorf Congress Sport & Event im Rahmen der Düsseldorfer Allergietage zu einem öffentlichen Infoforum ins CCD Congress Center ein. Programm: www.duesseldorfer-allergietage.de.

Fachärzte mit einer allergologischen Zusatzausbildung finden Sie auf den Portalen der Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein (www.kvno.de) oder Westfalen-Lippe (www.kvwl.de).

 Im Zeitschriftenhandel gibt es aktuell das Magazin „Öko Test Spezial“ (5 Euro). Es widmet sich dem Thema Heuschnupfen und Allergien, stellt Therapien vor und testet Produkte für Allergiker.