Essen. Beim Stichwort Rheuma denken viele Menschen in erster Linie ans Alter. Dabei können auch junge Leute, Kinder sogar, unter rheumatischen Erkrankungen leiden. Ein Experte erklärt Symptome, Krankheitsbilder - und mögliche Therapien.

„Nicht nur alte Menschen, sondern auch junge Leute und sogar Kinder können unter Rheuma leiden“, sagt Professor Dr. Christof Specker, der die Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie des St. Josef Krankenhauses im Essener Süden leitet, welches seit kurzem zu den Universitätskliniken Essen gehört. Rund eine Million Deutsche sind nach seinen Worten von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen betroffen.

Was ist Rheuma?

„Rheuma“ ist ein eher von Laien benutzter, ungenauer Oberbegriff (alles, was an Gelenken und Muskeln weh tut). Experten sprechen von „rheumatischen Erkrankungen“. „Hierunter werden im engeren Sinne die entzündlich-rheumatischen Erkrankungen verstanden – das bedeutet: Auto-Immun-Erkrankungen –, und im weiteren Sinne auch die verschleiß- und stoffwechselbedingten Erkrankungen des Bewegungsapparates“, sagt Professor Dr. Christof Specker.

Wer ist gefährdet?

„Es gibt keine direkten Risikofaktoren“, sagt Rheuma-Spezialist Specker. Gewarnt sollten Raucher sein und Menschen, in deren Familie häufig Auto-Immun-Erkrankungen vorkommen. Vorbeugen könne man jedoch nicht, grundsätzlich könne Rheuma jeden treffen.

Welche Krankheitsbilder gibt es?

Eine Vielzahl, mehr als 40 entzündlich-rheumatische Erkrankungen. Sie betreffen alle das Immunsystem, welches sich überaktiv gegen den eigenen Körper richtet. Dabei unterscheiden die Experten auch noch zwischen autoimmunen und autoinflammatorischen Krankheiten. Erstere können durch Entzündungen potenziell viele Organe angreifen; die zweite, autoinflammatorische Art zeigt sich an einer meist schweren Entzündung im ganzen Körper, verbunden mit Fieber, Gewichtsabnahme, Gelenk- und Muskelschmerzen und oft auch Hautausschlägen.

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Zu den häufigsten entzündlich-rheumatischen Krankheitsbildern gehören die chronische Polyarthritis (auch rheumatoide Arthritis genannt), die an Gelenken, vor allem der Hände und Füße spürbar wird; die Vaskulitiden (Entzündung der Blutgefäße), sowie der Lupus erythematodes, welcher Haut und innere Organe (z.B. der Nieren) betreffen kann.

An welchen Symptomen kann ich diese Krankheitsbilder erkennen?

Professor Christof Specker: „Der wichtigste gemeinsame Nenner all dieser Erkrankungen ist die Entzündung – der Haut, der Gelenke, der Blutgefäße und so weiter.“

Wie stellt der Arzt die Diagnose?

Ein Rheumatologe wird nach typischen Beschwerden fragen und den Patienten auf Befunde wie geschwollene Gelenke oder entzündete Haut untersuchen. Dann geht es vor allem darum, Entzündungszeichen und Auto-Antikörper (das sind etwa „Rheumafaktoren“) im Blut zu finden. Ist die Blutanalyse positiv, werden die Organe und Regionen des Körpers genauer untersucht (z.B. durch Ultraschall, Röntgen oder Magnetresonanztomographie), die durch das Rheuma geschädigt werden können.

Sind Männer und Frauen unterschiedlich häufig betroffen?

„Nein, mit wenigen Ausnahmen leiden Frauen je nach Krankheitsbild drei bis neun Mal häufiger an entzündlichen Rheumaerkrankungen als Männer“, erläutert Professor Specker. Gründe hierfür sind sowohl hormonelle Einflüsse als auch die Tatsache, dass das Immunsystem bei Frauen eher zur autoimmunen Reaktion neigt.

Welche Therapien sind bewährt, welche neu?

Entzündungshemmende Medikamente kennt man seit Entdeckung des Cortisons im Jahr 1948. Weitere Wirkstoffe wie Methotrexat oder Azathioprin sind auch schon seit rund 30 Jahren gang und gäbe in der Rheumatologie. In den letzten 14 Jahren kam eine neue Substanzgruppe hinzu, die so genannten Biologika. Professor Specker führt aus: „Sie werden in Form von Spritzen oder Infusionen verabreicht und wirken als Eiweiße über Botenstoffe des Körpers.

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Das Immunsystem wird dadurch nur an einer ganz bestimmten Stelle blockiert – nämlich dort, wo die Entzündung entsteht –, und bleibt ansonsten unbehelligt.“ Die Biologika sind zwar sehr teuer, doch auch sehr effektiv. Man wird sie laut Specker erst dann einsetzen, wenn sich einfachere Therapien als nicht ausreichend oder unverträglich erwiesen haben. Antirheumatische Therapien, auch diejenigen mit Biologika, sind dauerhaft, Dosis oder Häufigkeit der Gabe kann im Lauf der Zeit oft reduziert werden.

Helfen pflanzliche Medikamente?

„Es gibt leider keine wissenschaftliche Studien, welche belegen, dass diese Medikamente helfen“, erklärt der Essener Rheumatologe. Bei entzündlichem Rheuma hätten sie entweder gar keinen oder nur einen unzureichenden Effekt. Ähnliches gilt für die Ernährung, deren Bedeutung überbewertet werde.

Ist Rheuma heilbar?

„Streng genommen nicht, da wir die letztendliche Ursache der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen nicht kennen, auch wenn wir viel über sie wissen“, sagt Professor Specker. „Es ist jedoch wichtig, dass sie behandelt werden, sonst können sich schwere Komplikationen wie Organschäden an Nieren oder Herz entwickeln, an denen man im Extremfall auch sterben kann.“ Der Experte beruhigt aber: „Rheuma kann inzwischen so gut behandelt werden, dass dies für viele Patienten einer Heilung gleich kommt, weil sie nichts mehr von der Erkrankung spüren.“ Die Furcht vor Nebenwirkungen der Medikamente ist aus seiner Sicht bei den Patienten größer als die vor den Folgen der Rheumaerkrankung. Specker: „Wenn die Medikamente gezielt und mit Sachkenntnis eingesetzt werden, sind Nebenwirkungen selten, können meist rechtzeitig erkannt oder durch gezielte Maßnahmen auch ganz vermieden werden.“