Peking. Darf ein tödliches Virus noch gefährlicher gemacht werden? Ja, sagt ein Forscherteam und spricht von besseren Impfungen. Es will das Vogelgrippe-Virus manipulieren. Nein, sagen Kritiker und warnen vor künstlich gezüchteten Biowaffen. Bereits im März war das Virus beim Menschen nachgewiesen worden.

Forscher wollen für Experimente die Aggressivität der tödlichen Vogelgrippeviren H7N9 künstlich steigern. Zum besseren Verständnis der Erreger seien sogenannte "gain-of-function" Untersuchungen nötig, argumentierten die Virologen Ron Fouchier und Yoshihiro Kawaoka in einem offenen Brief im Fachmagazin "Nature". Bei solchen Versuchen erhält ein Gen eine neue Funktion oder eine höhere Aktivität. An dem Erreger sind bis Juli laut Weltgesundheitsorganisation WHO 43 Menschen gestorben. Zwar sei der Ausbruch derzeit gebannt, aber im Winter könnte das Virus wieder auftauchen, schreiben die Forscher.

Solche Experimente sind jedoch höchst umstritten. Der Chef-Epidemiologe von Chinas Zentrum für Seuchenbekämpfung, Zeng Guang, findet derartige Forschungen fahrlässig: "Künstliche Veränderungen des Virus sind sehr gefährlich." In der Natur könne die Veränderung eines Erregers viele Jahre dauern. Im Labor werde allerdings unmittelbar ein umgewandeltes Virus erzeugt. "Das basiert nicht auf wirklich wissenschaftlichen Forschungen", kritisierte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa in Peking. Schließlich gebe es keine Garantie, dass sich das Virus in der Realität genau so verändern würde, wie die künstlich erzeugten Mutationen im Labor.

Bessere Impfstoffe dank Experimente

Ron Fouchier vom Medical Center in Rotterdam und Yoshihiro Kawaoka von der Universität Wisconsin-Madison führen hingegen einen großen wissenschaftlichen Nutzen an. Dank der Experimente ließen sich bessere Impfstoffe entwickeln, die Gefahren eines neuen Ausbruchs besser studieren und künstlich die Risiken neuer Übertragungswege analysieren. "Weitere Forschungen sind nötig, einschließlich von Experimenten, die zu "gain-of-function" Untersuchungen gehören", heißt es weiter in dem offenen Brief der Forscher.

Im März war die neue Form der Vogelgrippe H7N9 erstmals bei Menschen nachgewiesen worden. In den meisten Fällen gingen die Behörden davon aus, dass sich die Menschen bei Geflügel angesteckt hatten. Tausende Tiere wurden gekeult und Märkte mit lebendem Geflügel geschlossen. Danach ging die Zahl der neuen Ansteckungen fast komplett zurück.

Allerdings vermutete die WHO schon im April, dass sich in einzelnen Fällen das Virus auch direkt zwischen Menschen übertragen haben könnte. Ein Forscherteam um den Wissenschaftler Bao Chang-jun vom Zentrum für Seuchenbekämpfung in der südchinesischen Stadt Nanjing hatte diese Woche im "British Medical Journal" vor den Risiken einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung gewarnt und gemahnt: "Die Gefahr von H7N9 ist auf keinen Fall vorbei."

Mögliche Mutationen im Labor testen

Die von den Forschern Fouchier und Kawaoka propagierten Experimente wären nicht die ersten derartigen Untersuchungen. Fouchier hatte bereits mit dem Vogelgrippevirus H5N1 experimentiert, an dem laut WHO seit 2003 mehr als 300 Menschen starben. Aber nach massiver Kritik musste er pausieren. Fouchier argumentierte schon damals, dass sie im Labor mögliche Mutationen testen könnten und damit die Gesundheitsbehörden auf einen Ernstfall besser vorbereitet seien. Kritiker hielten entgegen, dass die Risiken zu groß seien und im Labor Biowaffen geschaffen würden, die gestohlen und gegen Menschen eingesetzt werden könnten.  (dpa)