Nürnberg. Lange Zeit war es gängige Praxis, Kindern bei Entzündungen sofort die Mandeln zu entfernen. Doch häufig treten nach der Entnahme Komplikationen wie starke Blutungen auf. Durch die teilweise Entnahme des Mandelgewebes kann dieses Risiko reduziert werden.

Bei Mandeloperationen ist die Entfernung des kompletten Mandelgewebes häufig nicht sinnvoll. Oft könne man durch eine Teilentfernung die gleichen Erfolge erzielen und gleichzeitig Komplikationen vermeiden, sagte der Chefarzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde der Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach, Prof. Jochen Windfuhr, am Dienstag kurz vor einem Fachkongress in Nürnberg. Das teilweise Entfernen von überschüssigem Mandelgewebe schone die größeren Blutgefäße, so dass sehr viel seltener eine Blutungskomplikation entstehe.

Die Zahl der kompletten Mandelentnahmen ist Windfuhr zufolge in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen, während sich die Zahl der Teilentfernungen von 2007 bis 2010 verdoppelt habe. Für die Entfernung der Gaumenmandel bei Kindern und Jugendlichen sind nach Auskunft der Bertelsmann-Stiftung zwei Kriterien entscheidend: sich wiederholende Entzündungen der Mandeln sowie eine Verengung der Atemwege.

Regionale Unterschiede bei der Häufigkeit

Auffällig sind die großen regionalen Unterschiede bei der Häufigkeit von Mandel-Operationen in Deutschland. Nach einer am Dienstag vorgestellten Studie der Bertelsmann-Stiftung wurden von 2007 bis 2010 im Landkreis Sonneberg in Thüringen pro Jahr durchschnittlich 14 von 10.000 Kindern die Mandeln entfernt. Im nur 120 Kilometer entfernten Schweinfurt in Bayern waren es mit 109 Fällen fast achtmal mehr.

Grund für diese Diskrepanz sei eine unterschiedliche Bewertung der Ärzte, wann eine Entfernung der Gaumenmandeln sinnvoll sei, sagte Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte der Bertelsmann Stiftung. Die Stiftung beklagt, dass es in Deutschland keine verbindlichen Handlungsempfehlungen oder Leitlinien zur Gaumenmandeloperation gibt. Wie die auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes beruhende Studie zeigt, spielt für die OP-Häufigkeit der Wohnort des Patienten eine Rolle. Wer in der Nähe einer Klinik mit Schwerpunkt Hals-Nase-Ohren (HNO) lebt, wird deutlich eher operiert. (dpa)