Essen. Zum Auftakt der ARD-Themenwoche „Leben mit dem Tod“ hat Günther Jauch einige besondere Gäste in seine Talkrunde eingeladen: Menschen, die nicht mehr lange leben werden, weil sie unheilbar krank sind. Darunter war auch CDU-Politiker Wolfgang Bosbach. Nicht nur zu Jauchs Verwunderung waren diese Menschen aber fröhlicher und gelassener, als man vermuten würde.
„Wenn du das guckst kannst du hinterher nicht schlafen“, warnte mich mein Freund als bei Günther Jauch gerade die Vorstellungsrunde der Gäste seines ARD-Talks lief: Wolfgang Bosbach, Prostatakrebs; Bestattungsunternehmer Fritz Roth, Leberkrebs; Student Bastian Brauns, Muskelkrebs, mit seiner Freundin Katharina Reingen; und Theologin Margot Käßmann, geheilter Brustkrebs. Auf den senfgelben Stühlen im Schöneberger Gasometer saßen, wenn man es so sehen will, drei Todgeweihte. Bei „Saw 1 bis 4“ hatte mein Freund übrigens keine Angst um meine Nachtruhe. Der Horrortod auf der Mattscheibe hat seinen Schrecken verloren, dem echten Tod aber möchte niemand mehr ins Gesicht sehen.
Meistens kommt der Tod – in unserer westlichen Industrienation zumindest und zum Glück –nicht blutig und laut daher, sondern blass und leise. Wie zum Beispiel bei Bastian Bruns, Medizinstudent, der mit 22 Jahren die Diagnose Muskelkrebs erhielt, ein Bein verlor, Metastasen bekam und vor drei Jahren seine Freundin Katharina Reingen traf. Ihr erstes Gespräch, erinnert sich die blonde Physiotherapeutin bei Günther Jauch, habe sich gleich um Bastians Erkrankung gedreht: „Das ist ein Bestandteil unserer Beziehung.“ Jetzt versuchen sie jeden Moment zu genießen, machen gemeinsam Urlaub. „Wir leben bewusster als andere Menschen“, sagt Bastian Brauns. Und doch hängt der Tod nicht wie eine drohende Wolke über den beiden. Gemeinsame Pläne schmieden sie trotzdem, auch wenn sie vielleicht nicht mehr wahr werden.
Kinder sollten Verstorbene sehen und anfassen dürfen
Als die beiden das erzählen, ist mein Freund längst ins Bett gegangen. Und ich weiß nicht, ob ich staunen darf über diesen Mut oder ob er normal ist. Wäre ich in dieser Situation oder einer meiner Angehörigen, könnte ich das genauso akzeptieren?
Der Tod verliert seinen Schrecken, wenn man über ihn spricht und sich mit ihm auseinandersetzt. Fritz Roth hat das als Bestatter sein ganzes Leben lang getan. Jetzt steht er selbst am Lebensende. Seine Beerdigung habe er aber nur in Grundzügen geplant, er habe eine Zeremonie von vier Stunden entworfen, seine Frau versuche, diese auf 10 Minuten zusammen zu streichen, verrät er – lachend. Dann wird Roth wieder ganz der Experte. Tote Menschen, so erzählt er aus seiner langjährigen Praxis, hätten einen besonderen Gesichtsausdruck, einen friedlichen, „als hätten sie etwas gesehen, was wir nicht mehr wagen zu glauben.“
Wolfgang Bosbach will sich gute Laune nicht von Krebsdiagnose verderben lassen
Warum also würden besonders Kinder von Verstorbenen ferngehalten? Nicht mit zu Beerdigungen genommen? Im Fernsehen sähen sie jeden Tag Tote und Sterbende, stimmt auch Margot Käßmann zu, aber tote Angehörige würden vor ihnen versteckt. Der Tod solle wieder zurück geholt werden in die Mitte des Lebens, fordern die beiden. Wer bis jetzt bei Günther Jauch noch nicht weggeschaltet hat, hat bereits einen großen Schritt dahin getan.
Einer jedenfalls will sich seine gute Laune von der Krebsdiagnose nicht verderben lassen: Wolfgang Bosbach. Der Bundestagsabgeordnete der CDU hat seit zwei Jahren Prostatakrebs, seit einigen Monaten auch Metastasen, die Heilungschancen stehen schlecht. Trotzdem hält er sein Arbeitspensum, will 2013 sogar erneut für die Bundestagswahl kandidieren. „Ich verstehe das als Beginn eines neuen Lebensabschnitts“, erklärt er. Da lässt er auch keine Einwände Günther Jauchs gelten, beruflich etwas kürzer zu treten sei doch verständlich: „Herr Jauch, ich mache das gerne!“
Günther Jauch versteckt sich hinter Moderationskarten
Überhaupt, Günther Jauch: Oft hat er sich schon Kritik gefallen lassen müssen, dass er nicht durchgreife, wenn Diskussionen eskalieren, dass er nicht genug nachhake. Seine Stärke, so schien es immer, ist das Persönliche, das Zwischenmenschliche. Und tatsächlich lässt er im Gespräch mit seinen Gästen auch ein paar Anekdoten und Beispiele aus seinem sonst so gut gehüteten Privatleben mit einfließen.
Dann aber klebt er wieder an seinen Moderationskarten und seinen gut recherchierten Fragen, versteckt sich regelrecht dahinter. „Fordert Gott die Annahme des Leids an sich von uns Menschen?“ fragt er etwa Margot Käßmann. Sogar die Theologin lüpft hier kurz verwundert die Augenbraue: Soll es nicht darum gehen, den Tod begreiflicher zu machen, was sollen da solche grundlegenden Glaubensfragen?
Auf Günther Jauchs Moderationskärtchen fanden sich neben philosophischen Fragen aber auch allerhand wissenschaftliche Fakten, etwa die fünf Stadien des Todes. Oder die Ergebnisse eine Umfrage, was Menschen am Ende ihres Lebens am meisten bereuen. Auf Platz 1: Ihr Leben nicht nach ihren eigenen Vorstellungen gestaltet zu haben. Auf Platz 2: Zu viel gearbeitet zu haben. Deshalb höre ich jetzt hier mit den Schreiben auf. Punkt.