Essen. . Eine Lesersprechstunde mit Prof. Dr. Thomas Schwenzer, Dr. Bahriye Aktas, Prof. Dr. Rainer Kimmig und Dr. Mahdi Rezai. Ärzte empfehlen Betroffenen, sich ruhig eine zweite Meinung einholen und sich gut zu informieren, wenn sie sich für Natur- und Alternativmedizin interessieren.
Brustkrebs – rund 72.000 Frauen in Deutschland erhalten jährlich die gefürchtete Diagnose. Nach dem ersten Schock haben die meisten viele Fragen – zur Wahl des richtigen Krankenhauses, zur für sie richtigen Behandlung, eventuell zu einem Wiederaufbau der Brust. Vier Brustkrebs-Spezialisten haben am Gesundheitstelefon unserer Zeitung Betroffenen Rede und Antwort gestanden. Die wichtigsten Fragen und die Tipps der Experten.
Vor wenigen Tagen wurde bei mir Brustkrebs festgestellt. Der Arzt rät mir zu einer schnellen Behandlung. Ich weiß aber noch nicht genau, in welche Klinik ich gehen soll.
Experten: Ganz wichtig: Ein Brustkrebs ist kein akuter Notfall! Sie haben schon zwei, drei Wochen Zeit, um sich zu entscheiden, wo Sie sich behandeln lassen wollen. Grundsätzlich ist es auch ratsam, noch einmal eine zweite, wenn man unsicher ist, was die Therapie angeht, auch eine dritte ärztliche Meinung einzuholen.
Ich wohne sehr ländlich und habe einen weiten Weg zum nächsten Brustzentrum. Warum ist es so wichtig, sich dort behandeln zu lassen?
Experten: Weil es an den Häusern die Spezialisten für das Thema Brustkrebs gibt. Also Ärzte, die nicht nur 10 oder 20 Mal im Jahr Patientinnen mit einer solchen Diagnose behandeln und operieren. An Brustzentren arbeiten erfahrene Ärzte-Teams zusammen, damit die betroffene Frau die bestmögliche Behandlung erhält. Die Adressen der Brustzentren deutschlandweit finden Sie auf der Internetseite der Deutschen Krebsgesellschaft: www.krebsgesellschaft.de
Mein Frauenarzt hat mir empfohlen, einmal monatlich meine Brust selbst abzutasten. Hierzu bietet er einen Kurs an. Ist das sinnvoll?
Experten: Ja! Nehmen Sie den Kurs wahr, in dem Sie lernen, wie Sie Ihre Brüste richtig selbst abtasten können. Über 60 Prozent der Frauen, die Brustkrebs haben, haben diesen selbst entdeckt.
Mir wurde nach Brustkrebs die rechte Brust entfernt. Ich denke über einen Brust-Wiederaufbau nach. Welche Möglichkeiten gibt es da?
Experten: An der Essener Uniklinik zum Beispiel wird im Rahmen einer Brust-Sprechstunde hierzu beraten. Hier können aber auch alle anderen Fragen rund ums Thema Brustkrebs gestellt werden. Einen Termin bekommt man unter der Rufnummer: 0201/723 2346. An der Frauenklinik des Klinikums Dortmund kann man sich unter 0231/953 21488 zur Brust-Sprechstunde anmelden; am Düsseldorfer Luisenkrankenhaus unter: 0211/699 22200.
Grundsätzlich gilt: Wurde eine brustkrebskranke Frau nicht bestrahlt, ist beim Brust-Wiederaufbau ein Implantat die erste Wahl. Wurde sie bestrahlt, würde ich zu einem Aufbau aus Eigengewebe raten, so es der Körperbau erlaubt. Ist eine Frau sehr schlank, ist dies schwierig. Dann gibt es aber auch einen Brust-Wiederaufbau, bei dem ein Implantat mit Eigengewebe kombiniert wird. Dies kann eine Möglichkeit für sehr schlanke Frauen sein.
Ich bin 2008 an Brustkrebs operiert worden und gehe regelmäßig zu Kontroll-Untersuchungen. Anstatt einer Mammographie, die ja eine Strahlen-Belastung mit sich bringt, würde ich gerne eine MRT-Untersuchung, also eine Kernspintomographie, machen lassen. Diese Untersuchung ist ja strahlenfrei. Mein Arzt sagte aber, man könne eine Mammographie nicht durch ein MRT ersetzen.
Experten: Das ist richtig. Man sieht in der Mammographie zum Beispiel so genannte Mikrokalk-Ablagerungen, die auf einen Brustkrebs oder eine Brustkrebsvorstufe hindeuten können. Das sieht man im MRT nicht so gut. Das MRT wiederum liefert eine Schicht-Aufnahme der Brust und ist sehr aussagekräftig bei einem dichten Brustgewebe. Bei einem dichten Brustgewebe sieht man bei der Mammographie weniger.
Brustkrebs-Patientinnen empfehlen wir immer: Mammographie plus Ultraschall. Bei unklaren Befunden wird dann auch die MRT empfohlen. Frauen, die noch ihre Periode haben, sollten diese Untersuchungen in den ersten zehn Tagen nach Beginn der Periode machen lassen!
Ich hatte Brustkrebs und habe jetzt Knochenmetastasen. Was muss ich bei der weiteren Behandlung beachten?
Experten: Bei Knochenmetastasen muss zunächst abgeklärt werden, ob keine Gefahr droht, dass der Knochen brechen kann. Wenn dies ausgeschlossen wurde, muss geklärt werden, ob die Metastase bestrahlt werden muss. Denn das muss Sie nicht immer. Bei Knochenmetastasen müssen so genannte Bisphosphonate oder RANK-Ligand-Hemmer zusätzlich zur Brustkrebstherapie gegeben werden. Mit einer Knochenszintigraphie kann dann das Ansprechen auf die Therapie überprüft werden.
Eine Knochenszintigraphie ist eine nuklearmedizinische Untersuchung, bei der das ganze Skelett untersucht wird. Es soll geklärt werden, ob es Knochenmetastasen gibt oder ob diese sich unter der Therapie zurückgebildet haben.
Vor einem Jahr wurde mir die rechte Brust nach Krebs abgenommen. Man hat mir im Krankenhaus nicht gesagt, was ich nun weiter tun soll. Ich fühle mich alleingelassen.
Experten: Im Rahmen der Nachsorge müssen Sie in den ersten drei Jahren alle drei Monate zum Frauenarzt, wo eine Untersuchung und Beratung erfolgen sollte. Für das vierte und fünfte Jahr wird die Zeitspanne auf sechs Monate verlängert. Nach fünf Jahren sollte die Vorstellung einmal jährlich erfolgen.
Wichtig auch: Tasten Sie einmal im Monat Ihre Brust selbst auf Veränderungen ab. Wie man das richtig macht, kann Ihnen Ihr Frauenarzt zeigen. Alle drei Monate sollten Sie zu Ihrem Frauenarzt gehen und von ihm die Brust abtasten lassen. Alle sechs Monate lassen Sie einen Ultraschall der Brust machen. Einmal jährlich sollten Sie – fünf Jahre lang – eine Mammographie ihrer linken, krebsfreien Brust machen lassen. Einmal jährlich sollten Sie sich komplett gynäkologisch untersuchen lassen.
Im August wurde mir ein Tumor aus der Brust entfernt. Er war 2,6 Zentimeter groß. Außerdem waren drei Lymphknoten von Krebs befallen. Mein Arzt rät zur Chemotherapie. Ist das nötig?
Experten: Bei der vorliegenden Risiko-Konstellation muss eine Chemotherapie empfohlen werden. Sie brauchen eine wirksame Chemo, wenn das Rückfallrisiko hoch ist. Ob Sie sich diese in einer niedergelassenen onkologischen Praxis oder an einer Klinik geben lassen, können Sie entscheiden.
Ich habe Brustkrebs und will – neben der notwendigen Strahlen- und Chemotherapie – meinem Körper auch mit Natur- und Alternativmedizin etwas Gutes tun. Was empfehlen Sie?
Experten: Auf diesem Gebiet gibt es mittlerweile so viele Angebote, dass es für den Laien schwierig ist, sinnvolle Dinge von fragwürdigen oder gar gefährlichen Angeboten zu unterscheiden. Eine Hilfe bietet hier die Krebsgesellschaft NRW im Internet unter www.komplementaermethoden.de, aber auch die Internetseite www.natum.de an. Hier findet man einen Überblick über so genannte „komplementäre Behandlungsmöglichkeiten“. Verschiedenste Wirkstoffe und Verfahren werden ausführlich beschrieben und unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bewertet.
Wirksamkeit und Unbedenklichkeit vieler Methoden, die als Ergänzung zur Standard-Krebstherapie angeboten werden, sind nicht oder nur unzureichend geprüft. Daher muss man sich hier gut informieren. Ganz wichtig ist: Operation, Strahlen- und Chemotherapie können durch eine so genannte komplementäre Medizin nicht ersetzt werden! Zur Abschätzung des persönlichen Nutzens bestimmter Verfahren sollte man vor der Anwendung immer mit dem behandelnden Arzt sprechen. Er kann auch Wirkungen und mögliche Wechselwirkungen etwa mit anderen Medikamenten einschätzen und im Verlauf der Behandlung beobachten.
Für Frauen zwischen 50 und 69 Jahre wird doch alle zwei Jahre eine Mammographie angeboten. Ich bin 70, ist das für mich jetzt überflüssig?
Experten: Im Alter zwischen 50 und 69 Jahren werden die Frauen zu einem so genannten Screening eingeladen. Natürlich sollten auch Sie sich mit 70 regelmäßig gynäkologisch untersuchen lassen. Wenn es erforderlich ist, wird der Frauenarzt Sie zur Mammographie schicken. Grundsätzlich steigt das Risiko für eine Krebserkrankung mit dem zunehmenden Lebensalter.
Ich bekomme nach meiner Brustkrebs-Erkrankung auch eine Antihormon-Therapie. Wann ist die überhaupt notwendig?
Experten: Eine antihormonelle Therapie wird bei hormonempfindlichem Brustkrebs eingesetzt. Dies bedeutet, wenn die Tumorzelle Empfangsstellen, so genannte Rezeptoren, für weibliche Geschlechtshormone besitzt. Dies ist bei etwa zwei Drittel der Patientinnen mit einem bösartigen Brusttumor der Fall. Der Tumor wächst unter dem Einfluss weiblicher Geschlechtshormone. Welche Therapie dann verabreicht wird, hängt vor allem davon ab, ob die Frau sich noch vor oder bereits nach den Wechseljahren befindet. Durch die Therapie soll erreicht werden, dass eventuell noch im Körper vorhandene Krebszellen abgetötet werden.
Eine Antihormon-Therapie – etwa mit dem Mittel Tamoxifen bei Frauen vor den Wechseljahren – erfolgt meist im Anschluss an eine Operation, eine Chemotherapie – falls erforderlich – und parallel zur Strahlentherapie über einen Zeitraum von fünf Jahren. Dies ist Standard. Ob eine weitere Antihormon-Behandlung notwendig ist, muss der behandelnde Arzt für die jeweilige Patientin entscheiden. Hierbei müssen Nutzen und Risiken abgewogen werden.
Mir wurde nach einer Brustkrebs-Behandlung empfohlen, das Mittel Tamoxifen zu nehmen. Warum ist das nötig?
Experten: Mit einer Operation wird der Tumor aus der Brust herausgenommen. Es können aber noch Krebszellen in der Brust oder im Körper sein, die mit einer Chemotherapie und/oder antihormonellen Therapie bekämpft werden. Auch noch Jahre nach der operativen Entfernung eines Tumors besteht für Brustkrebs-Patientinnen das Risiko, dass die Krankheit erneut auftritt, es also zu einem so genannten Rezidiv kommt. Um diese Gefahr einzudämmen, wird Patientinnen, deren Brustkrebs empfindlich auf weibliche Hormone reagiert, Tamoxifen gegeben. Dies hat sich bei Patientinnen bewährt, die ihren Brustkrebs vor den Wechseljahren hatten.
Aus den gleichen Gründen wird Frauen, die den Krebs nach den Wechseljahren hatten, auch eine antihormonelle Therapie empfohlen. Hier haben sich zusätzlich zum Tamoxifen auch die so genannten Aromatasehemmer bewährt. In der Regel wird die Einnahme der Medikamente über fünf Jahre empfohlen.
Es gibt Studiendaten, die zeigen, dass es sinnvoll sein kann, die Mittel länger zu nehmen. Aber dies hängt immer vom Krankheitsbild der jeweiligen Frau ab. Außerdem müssen bei einer länger als fünfjährigen Einnahme Nebenwirkungen der Mittel gegen den Nutzen abgewogen werden. Dies ist immer eine Einzelfall-Entscheidung.
Aromatasehemmer werden doch Brustkrebs-Frauen gegeben, die die Wechseljahre hinter sich haben. Warum?
Experten: Aromatasehemmer werden speziell bei Frauen nach den Wechseljahren eingesetzt, da sie bei Frauen vor den Wechseljahren keine komplette Hemmung der Hormonproduktion in den funktionstüchtigen Eierstöcken bewirken und somit sogar zu einer Stimulierung der Eierstöcke führen können. Sie werden in der Regel für fünf Jahre empfohlen. Wie lange welche Medikamente gegeben werden, hängt aber immer vom Krankheitsbild der jeweiligen Patientin ab.
Welche Nebenwirkungen können die Einnahme von Tamoxifen, beziehungsweise von Aromatasehemmern haben?
Experten: Als wesentliche Nebenwirkung von Aromatasehemmern treten eine Abnahme der Knochendichte und damit zusammenhängende Gelenkschmerzen auf. Dies geschieht häufiger als bei der Behandlung mit dem Antiöstrogen Tamoxifen. Um die negativen Auswirkungen auf die Knochen abzumildern, sollten Patientinnen Calcium und Vitamin D einnehmen. Weitere Nebenwirkungen sind: Atemnot, Übelkeit und Erbrechen – diese Nebenwirkungen treten aber kaum auf. Ob es zu einer Knochentkalkung, also einer Osteoporose kommt, kann man durch einfache Knochendichte-Messungen überprüfen.
Hauptnebenwirkungen des Tamoxifens sind vor den Wechseljahren die Wechseljahrs-Beschwerden mit Hitzewallungen. Es können auch Veränderungen an der Gebärmutterschleimhaut auftreten. Das Risiko für einen Gebärmutterschleimhaut-Krebs steigt, liegt aber bei einer Einnahme von Tamoxifen über 5 Jahre bei unter einem Prozent. Frauen, die Tamoxifen nehmen, sollten sich auf jeden Fall regelmäßig gynäkologisch untersuchen lassen. Der Unterleib muss per Ultraschall angesehen werden. Weiter besteht das sehr seltene Risiko von Thrombosen oder Embolien. Es kann auch – selten – Nebenwirkungen am Auge geben. Daher sollte man bei einer Einnahme von Tamoxifen auch regelmäßig zum Augenarzt gehen.