Moers. . Vor zwei Jahren erfuhr Philipp Küpperbusch, dass er Leukämie hat. Der junge Moerser war dem Tod nahe, aber langsam geht es gesundheitlich wieder aufwärts. Auch seine Freunde vom Fortuna-Fan-Club zeigten für alle sichtbar im Stadion Solidarität und halfen bei der Suche nach einem geeigneten Spender.

Wenn vier Ärzte gleichzeitig an deinem Bett stehen, dann muss es ernst sein. Richtig ernst. Philipp Küpperbusch erinnert sich an jede Einzelheit dieser Situation im Krankenhaus Bethanien. Seine Eltern Angelika und Peter sitzen am Bett, auch Jana, seine Schwester. Und dann sagt einer der Ärzte zu ihm: „Sie haben Leukämie.“ Genau heute vor zwei Jahren ist das gewesen. Seit diesem Tag der Blutkrebs-Diagnose war das Leben des heute 29-Jährigen und seiner Familie eine wahre Achterbahnfahrt. Zuversicht, Niederschläge, Euphorie, Depressionen – alles war da. Die Hoffnung aber hat Philipp selbst dann nicht aufgegeben, als er dem Tod zweimal ganz nah kam.

Mitten aus dem Vollgas-Leben

Die Nachricht holte den damals 27-Jährigen aus einem überaus aktiven, prallen Leben. Philipp war Ratsmitglied gewesen, hatte als Grüner für den Landtag kandidiert, engagierte sich gegen Neonazis, mischte bei der Gründung des Jugendzentrums Bollwerk mit. Jetzt hatte er gerade seine Ausbildung zum Kaufmann für Bürokommunikation beendet und einen Job angetreten, der ihm Spaß machte. „Fußball, Partys – ich hab’ Vollgas gegeben“, grinst er.

Was Philipp irritierte, waren die ständigen Erkältungen und Kreislaufprobleme. Am Tag des „Stilllebens“ stürzte er mit dem Skateboard auf der gesperrten A 40, und an der scheinbar harmlosen Schürfwunde entstand eine fiese, schmerzhafte Entzündung. Am Ende der folgenden Untersuchungen stand die Leukämie-Diagnose. „Natürlich war das ein Schock“, sagt er. Ganz schnell fiel ihm seine ehemalige Mitschülerin Meike Schneider ein.

Die Tochter des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider, war 2005 an Blutkrebs gestorben: „Ich habe in den letzten zwei Jahren oft an Meike gedacht, ich kannte sie ja gut. Es gab auch Situationen, da war ich am Boden, da habe ich mir vorgestellt, wie wohl meine Beerdigung aussehen könnte. Aber mir hat geholfen, dass ich mit einem Psychologen über meine Ängste reden konnte. Und dann erfährst du auch, dass es viele gibt, die das überleben.“ Philipp lässt eine Pause, dann sagt er: „Ich habe immer geglaubt, dass ich das schaffe. Sterben war für mich nie eine Option.“

Fortuna-Ultras halfen bei der Suche nach einem Spender

Doch zum Überleben benötigt er eine Knochenmark-Transplantation. Während sich die Spenderdatei der Universität Düsseldorf auf die Suche nach einem „Zwilling“ macht, organisieren Familie und Freunde vom Bollwerk in Moers eine Typisierungsaktion, dasselbe macht der Fanclub, die „Ultras“, mit dem er bei Heimspielen die Düsseldorfer Fortuna anfeuert. Fast 1700 Menschen lassen sich typisieren. Zwei von ihnen haben inzwischen für andere Leukämie-Kranke Knochenmark gespendet.

Philipp hat seltene Genmerkmale. Dennoch findet sich nach bangen Wochen ein Spender mit 80 Prozent Übereinstimmung in der Datei. Am 24. November 2010 – auch dieses Datum vergisst der Moerser nie – erfolgt in der Essener Uniklinik die Transplantation.

Plan: eine Curry-Wurst-Bude

Zuerst geht es rapide aufwärts, seine Blutwerte bessern sich schneller als erwartet. Als er Wochen später zu Hause bei seinen Eltern einzieht, erklärt er im Telefoninterview mit der NRZ/WAZ gut gelaunt von seinem Plan, in Moers eine Curry-Wurst-Bude aufzumachen.

Das Leben im Elternhaus richtet sich auf Philipp aus. Weil sein Immunsystem wegen der Transplantation noch immer geschwächt ist, wird täglich geputzt. Freunde, die eine Erkältung haben, dürfen nicht kommen. Zeitweise nimmt er 40 Tabletten am Tag.

Dennoch kommt im Frühjahr 2011 ein massiver Rückschlag. Philipps Darm zeigt Abstoßungsreaktionen: „Du musst dir vorstellen, dass ein Darm eine Oberfläche von 200 Quadratmetern hat, die komplett entzündet waren. Das war krass, da gerätst du in so’n Halbdelirium vor Schmerzen.“ Fast versagen seine Nieren, Philipp steht kurz vor dem Tod.

Solidarität der Fanclub-Kumpel

Doch er kriegt noch einmal die Kurve, erholt sich, wenn auch sehr, sehr langsam, „eigentlich war dieses ganze Jahr 2011 scheiße, ich habe mit einer permanenten Bedrohung gelebt“, sagt er im Rückblick. 2012 ist deutlich besser. Vor kurzem hat er wieder eine eigene Wohnung bezogen. „Inzwischen überwiegen die guten Tage. Ich genieße das Leben, ich genieße es, mit meiner Familie im Garten zu sitzen.“ Was er ihr zu verdanken hat, weiß er genau: „Das liegt auch an ihnen, dass ich nicht aufgegeben und das Rückgrat behalten habe.“ Dabei benutzt er nie das sachliche „Eltern“, der 29-Jährige spricht durchweg von „Mama und Papa“.

Geholfen hat Philipp auch die Solidarität der Fanclub-Kumpel. Der Moerser war immer dabei, denn die „Ultras“ entwarfen ein Riesentransparent mit dem Bild von Philipp, das bei allen Heimspielen der Fortuna im Stadion hing. „United we stand“, schrieben sie darauf, „Wir stehen zusammen“. Philipp traut sich mittlerweile wieder selbst ins Stadion. Das legendäre, fast abgebrochene Relegationsspiel gegen Berlin hat er live auf dem Rang erlebt. Und klar: „Die Dauerkarte für die nächste Saison ist schon bestellt.“