Mainz.. Rheinland-Pfalz führt 24-Stunden-Medikamenten-Terminals auf dem Land ein, die Notfallpatienten rund um die Uhr mit Medikamenten versorgen sollen. Die Terminals sind als Ergänzung für Apotheken im Bereitschaftsdienst gedacht. Noch gibt es allerdings Sicherheitsbedenken.
Apotheker Ansgar Pelzer spricht von seiner neuen Anschaffung wie von einem Menschen. Eine "kleine Zicke" sei sie, die "noch ein paar Macken" habe. Dabei ist sein neues 24-Stunden-Medikamenten-Terminal gerade kein Mensch, sondern eine Maschine.
Sie wurde dazu gebaut, um Notfallpatienten auf dem Land außerhalb der Öffnungszeiten mit Medikamenten zu versorgen. Bisher haben diesen Job ausschließlich Apotheker in Bereitschaft übernommen, die den Patienten vor Ort persönlich zur Seite standen. Rheinland-Pfalz ist das nicht genug.
Apotheker berät via Bildschirm und Touchpad
Gerichtsurteilen und Widerstand zum Trotz testet das Land als erstes Bundesland deutschlandweit die neuen Abgabeterminals, "ergänzend" zum bestehenden Angebot. Dafür wurden vier Apotheken in Osthofen, Bodenheim, Daun und Haßloch mit der neuen Technik ausgestattet. Über ein Touch-Pad an der Außenwand können die Patienten ihren Medikamentenwunsch eingeben, Rezepte einlesen und sich von einem zugeschalteten Apotheker via Bildschirm beraten lassen. Klappt alles, spuckt das Terminal nach wenigen Minuten das Medikament aus.
Der Gedanke, der hinter dem Anfang Juli gestarteten Projekt steht: Im ländlichen Raum sind Notfallapotheken nur spärlich gesät und Patienten müssen im Zweifelsfall weite Wege auf sich nehmen, um an ihre Medizin zu kommen. Angesichts einer immer älter werdenden Gesellschaft könne das zum Problem werden, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Deshalb erprobe das Land "eine sinnvolle und qualitätsgesicherte Ergänzung für die Bürger".
Bundesverwaltungsgericht hat Terminals verboten
Doch gerade daran gibt es seitens der Apotheker Zweifel. Nicht zuletzt, weil das Bundesverwaltungsgericht erst vor zwei Jahren den Einsatz ähnlicher Terminals verboten hat. Die Richter hatten damals unter anderem bemängelt, dass die zugeschalteten Apotheker die Rezepte nicht handschriftlich gegenzeichnen und Änderungen nicht vermerken konnten. Das verletzte die Dokumentationspflicht.
Außerdem dürfe ein Apothekenbesitzer die Verantwortung für seine Kunden nicht an Dritte abgeben. Das war damals aber der Fall, da die Betreuung via Bildschirm an Firmen ausgelagert worden war. In beiden Punkten hat der Hersteller Rowa mit Sitz in der Eifel inzwischen nachgerüstet: Eine elektronische Signatur wurde eingeführt und die Betreuung via Bildschirm sollen nur noch Angestellte der Apotheke übernehmen.
Doch es bleiben Zweifel an der Rechtmäßigkeit und der Sicherheit. Selbst die Apothekerkammer, die als Berufsvertretung vom Ministerium beaufsichtigt wird, meldet "Bedenken" an. Sowohl aus rechtlicher als auch pharmazeutischer Sicht gebe es Vorbehalte, sagt Geschäftsführer Arnulf Klein. Ministerium und Hersteller betonen, die Kammer einbezogen zu haben.
Der Apothekerverband hat nach eigenen Angaben erst aus der Presse von dem Vorstoß erfahren: "Wir waren wie vom Blitz getroffen", sagt Sprecherin Kirsten Müller-Kuhl. Verbandschef Theo Hasse habe seinen Unmut in einem Brief an Ministerin Malu Dreyer (SPD) ausgedrückt und um eine Stellungnahme gebeten.
Enge Zusammenarbeit von Unternehmen und Land
Enger ist die Zusammenarbeit offenbar mit Rowa: Dem Unternehmen zufolge stellte es im Jahr 2004 zusammen mit dem Land einen Förderantrag bei der Investitions- und Strukturbank zur Entwicklung der neuen Terminals - mit Erfolg. Über die Höhe der Fördersumme herrscht Stillschweigen. Nun stärkt das Land dem Unternehmen, das im vergangenen Jahr vom amerikanischen Konzern CareFusion aufgekauft wurde, erneut den Rücken: Neben dem Pilotprojekt von Ministerin Dreyer stattete auch Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) dem Unternehmen auf ihrer Sommerreise vor wenigen Tagen einen Besuch ab.
Das macht die Angelegenheit für den Apothekerverband nicht transparenter: "Wir fragen uns, wie sich Apotheken auf dem Land die Terminals leisten sollen", sagt Müller-Kuhl. Zusammen mit dem benötigten Lagersystem, das ebenfalls von Rowa hergestellt wird, kostet ein Terminal weit über 100.000 Euro. An diesen Kosten beteiligt sich das Land jedoch nicht.
"Das ist schon eine Menge Geld", gesteht auch Test-Apotheker Pelzer. Aber das Terminal sei "eine Investition in die Zukunft". So richtig durchstarten kann er aber noch nicht: Allein in der vergangenen Woche stürzte sein System mehrmals ab - "eine kleine Zicke" eben. (dapd)