München. In Deutschland sterben jährlich etwa tausend Menschen, weil sie kein passendes Spenderorgan erhalten. Tierische Organen und Zellen sollen nun Abhilfe schaffen. Ein neues Forschungsprojekt zur so genannten Xenotransplantation wird jedoch von Tierschützern stark kritisiert.

Bundesweit sterben rund tausend Menschen im Jahr, weil sie kein passendes Spenderorgan erhalten. Das sind drei Tote pro Tag. 12.000 Personen stehen in Deutschland nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) auf der Warteliste, doch passende Spender gibt es viel zu wenige.

Daher setzen Forscher ihre Hoffnung auf die Übertragung von Organen und Zellen von Tieren auf den Menschen, die Xenotransplantation. Unter der Federführung des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München wird ab dem 1. Juli erforscht, ob und wie dem Menschen Gewebe von Schweinen verpflanzt werden kann. Der Herzchirurg Bruno Reichart ist Sprecher des LMU-Forschungsprojekts "Biologie der xenogenen Zell- und Organtransplantation". Noch muss er übertriebene Erwartungen dämpfen. Der Mensch besitze Antikörper gegen die Tiere, er erkenne das fremde Gewebe nicht an und stoße es heftig ab, erläutert Reichart. Die Hürde sei extrem hoch, weil Schweine - anders als etwa Affen - entwicklungsgeschichtlich 90 Millionen Jahre vom Menschen entfernt seien.

Projekt wird mit zwölf Millionen Euro gefördert

Eine Lösung findet sich womöglich in Neuseeland. Dort machen sich Forscher Schweine von den Auckland Inseln zunutze, um Diabetespatienten zu behandeln. "Die Tiere dort sind nicht infektiös, enthalten somit keine pathogenen Keime und übertragen deshalb keine Krankheiten", erklärt Reichart.

 Dadurch sinke die Infektionsgefahr beim Menschen, der nach einer Transplantation besonders anfällig sei. Um dies zu vermeiden, werden die Schweinezellen mit einem biologischen Stoff verkapselt und in die menschliche Bauchhöhle gespritzt. Durch die Kapsel werde das lebenswichtige Insulin an den Menschen abgegeben, ohne dass Antikörper die "Gewebe-Inseln" abstoßen.

Reichart hofft jetzt, das Prozedere auch in Deutschland etablieren zu können. Das allein genügt dem Herzchirurgen aber nicht. Denn es ist nicht bekannt, wie lange die ummantelten Schweinezellen funktionieren. Reichart setzt deshalb auf sogenannte transgene Schweine. "Die Tiere werden gentechnisch so verändert, dass sie menschliche Eiweiße produzieren", erklärt der Herzchirurg. Ist das Verfahren erfolgreich, heißt dies: Der menschliche Organismus akzeptiert das unverkapselte, schweinische Gewebe auch ohne extreme Medikamente.

Tierschutzbund plädiert für Forschungsstopp

Es sei nicht ausgeschlossen, in einigen Jahren ganze Organe wie Herzen und Nieren regelmäßig zu transplantieren, sagt Reichart. Das Projekt sei aber von einem einzelnen nicht zu bewältigen. Daher habe sich die LMU mit verschiedenen Universitäten und Instituten zusammengeschlossen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das Programm zunächst für vier Jahre mit insgesamt zwölf Millionen Euro.

Dass Gewebe- und Organspenden von Schweinen nicht unproblematisch sind, weiß Reichart nur zu gut. Ihm ist wichtig, dass sich im Laufe des Projektes eine breite gesellschaftliche Diskussion entwickelt. "Das ist keine Forschung im Hinterstübchen", betont er. Geplant seien Umfragen und Aufklärungsarbeit. Schließlich bringe die Forschung nur etwas, wenn sie von der Öffentlichkeit getragen werde.

Beim Deutschen Tierschutzbund hält man Xenotransplantation dagegen nicht für das probate Mittel, um den Mangel an Organspendern aufzufangen. "Die Xenotransplantation hat sich als Sackgasse erwiesen", mahnt der stellvertretende Leiter der Akademie für Tierschutz, Roman Kolar.

Anders als die Wissenschaftler suggerierten, zeigten die qualvollen Tierversuche, dass die Körperabwehr des Empfängers auch mit Hilfe der Gentechnik nicht ausreichend abgeschwächt werden könne. Daher fordert Kolar schon vor dem Start des Forschungsprojekts ein Stopp: "Die zuständigen Behörden dürfen die sinnlosen und grausamen Xenotransplantations-Versuche an der LMU nicht weiter genehmigen." (dapd)