Düsseldorf/Dortmund. Der Präsident der Ärztekammer Nordrhein kritisiert den öffentlich begründeten Freitod von Fußballer Timo Konietzka. Er fürchtet, dass der akzeptierte Suizid immer mehr zur Alternative der Sterbebegleitung durch Hospize und Palliativmedizin wird. Unterstützung gibt es für die Pläne der Bundesregierung, Geschäfte mit der Sterbehilfe zu verbieten.

Der freiwillige Tod des schwer erkrankten, früheren Fußballers Timo Konietzka ruft Kritiker der Sterbehilfe in Nordrhein-Westfalen auf den Plan. "Das ist eine Entscheidung, die niemandem Mut macht", sagte der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke. Eine professionelle Sterbebegleitung über Hospize und Palliativmedizin sei der bessere Weg, sagte der Dortmunder Sterbeforscher Franco Rest. Die Experten begrüßten außerdem die Pläne der schwarz-gelben Regierungskoalition in Berlin, Geschäfte mit der Sterbehilfe unter Strafe zu stellen. Der ehemalige Bundesligaspieler war schwer an Gallenkrebs erkrankt und hatte sich am Montag im Alter von 73 Jahren in der Schweiz mit einem Giftbecher das Leben genommen, den er vom Sterbehilfeverein Exit bekommen hatte.

Konietzkas Entscheidung erwecke den Eindruck, dass der Wert des Lebens von der Gesundheit abhänge, sagte Ärztekammer-Präsident Rudolf Henke im DerWesten-Gespräch. Sterben erhalte so etwas Lebensfremdes. Die Medizin könne Schmerzen lindern, die Schwäche durch Alter oder Krankheit könne sie niemandem nehmen. "Mit der Frage, auf andere angewiesen zu sein, sollte sich grundsätzlich jeder beschäftigen", sagt Henke.

"Beklemmendes Signal"

Der nordrheinische Ärztekammer-Präsident sieht ein Problem darin, dass Konietzka seinen Schritt auch damit begründete, niemandem zur Last fallen zu wollen. "Das ist ein beklemmendes Signal: Wenn ich Hilfe annehme, dann verliere ich meine Würde." Stattdessen solle es als natürlich empfunden werden, auch Hilfe von anderen anzunehmen. Gerade darauf stütze sich die Palliativmedizin: "Dabei ist eine Voraussetzung, die Nähe anderer Menschen zuzulassen", so Henke.

Henke versteht Koniezkas öffentliche Begründung für die Sterbehilfe als öffentliche Botschaft. "Das könnten andere auf sich beziehen", fürchtet er. Je mehr der akzeptierte Suizid kommuniziert werde, umso mehr käme er auch als Alternative zu aufwendigeren Formen wie der Sterbebegleitung in Frage.

"Reklame für die Selbsttötung"

Aus juristischer Sicht sei nichts gegen den Freitod Konietzkas einzuwenden, sagt Sterbeforscher Franco Rest. Das Grundrecht auf freie Persönlichkeitsentfaltung sei unbegrenzt und umfasse damit auch das Recht auf Selbsttötung. "Wenn ich jemandem bei etwas helfe, was er darf, dann mache ich mich nicht strafbar", sagt Rest. Genau das nutzten auch Schweizer Sterbehilfe-Organisationen wie Dignitas oder Exit. Aus ethischer Sicht sehe es aber anders aus. Berichte über Suizide wirkten oft wie eine Reklame für die Selbsttötung. Dabei wollten die Menschen nicht tot sein, sondern nur ein anderes Leben ohne Schmerzen führen. "Wenn die Menschen auch in der Krankheit nicht hilflos sind und ihre Persönlichkeit entfalten können, dann würden 99 Prozent sagen, dass sie noch leben wollen", ist Rest überzeugt. Mit einem hundertprozentigen Ausbau des Hospiz- und Palliativnetzwerks bräuchte es seiner Ansicht nach keine Sterbehilfe.

Der Begriff Sterbehilfe sei im Fall Timo Konietzka übrigens falsch. "Es handelte sich um eine assistierte Selbsttötung, keine Tötung auf Verlangen wie in den Niederlanden", so Rest.

Franco Rest ist Professor für Sozialwissenschaften an der FH Dortmund. Seit 1985 arbeitet er am Aufbau des Hospiz- und Palliativnetzwerks in Nordrhein-Westfalen, lange Zeit als Berater der Landesregierung. "Wir sind gut dabei", sagt er. In Dortmund gebe es drei stationäre und drei ambulante Hospizdienste - "völlig ausreichend", so Rest. Nur bei den Palliativstationen bestehe in Dortmund noch Nachholbedarf. Derzeit gibt es eine Station am St. Johannes-Hospital. "Wir bräuchten noch zwei weitere", so Rest.

Verbot der Bereicherung

Die Pläne der schwarz-gelben Bundesregierung, zumindest Geschäfte mit der Sterbehilfe zu verbieten, unterstützen beide Experten. Er begrüße die Pläne von FDP und CDU, auch wenn noch Uneinigkeit über die Strenge des Gesetzes bestehe. "Ich spreche mich jedenfalls für ein strenges Verbot aus", sagt Rudolf Henke. Franco Rest ergänzt darüber hinaus: Die Politik solle in Deutschland zunächst flächendeckend eine gute Versorgung mit Hospiz- und Palliativdiensten sicherstellen. "Wenn es dann nötig ist, kann man immer noch über eine Erlaubnis der assistierten Selbsttötung nachdenken-"