Essen. In deutschen Krankenhäusern infiziert sich jährlich eine mindestens sechsstellige Patientenzahl mit so genannten multi-resistenten Erregern. Jetzt richtet die Uni Münster ein Institut ein, das Hygieneärzte ausbildet. Die gehören in den Niederlanden schon längst in jedes Krankenhaus.
Wer als Deutscher in den Niederlanden in eine Klinik eingeliefert wird, hat gute Chancen auf ein Einzelzimmer. Der Betroffene muss lediglich anklingen lassen, in den zurückliegenden Monaten mal in einem deutschen Krankenhaus behandelt worden zu sein. Dann wird er mit Handschuhen angefasst und kommt ins Isolationszimmer. Denn für die Niederlande kommt der deutsche Patient aus einem Hochrisiko-Gebiet: Deutsche Krankenhäuser sind im Vergleich mit niederländischen Kliniken geradezu dramatisch verkeimt.
Etwa jeder 20. Patient infiziert sich erst in der Klinik mit Keimen, die oft gegen gängige Antibiotika resistent sind. Sie fordern nach Expertenmeinung mindestens 10 000 Todesopfer pro Jahr, die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene geht sogar von bis zu 40 000 Infektions-Opfern aus.
Simple, aber effektive Mittel
Mittlerweile sind die Gesundheitsexperten hellhörig geworden – der Kampf gegen die Keime wird intensiver geführt. Er beginnt bei simplen aber nachweislich effektiven Mitteln (etwa dem immer wiederkehrenden Appell an Ärzte und Pflegekräfte, die Hände vor und nach jedem Patientenkontakt zu desinfizieren) und führt jetzt in Münster zur Gründung der „Westfälischen Akademie für Krankenhaushygiene“. Sie soll als erstes Weiterbildungszentrum ihrer Art für gut ausgebildete Hygiene-Fachärzte sorgen – und der Bedarf für solche Mediziner ist groß. Denn bis 2016 werden solche Fachärzte für alle Kliniken mit mehr als 400 Betten zur Pflicht.
Noch muss der Oberarzt der Chirurgie aus Wesel für seine fachärztliche Weiterbildung für zwei Jahre gelegentlich zur Charité nach Berlin reisen – so kommt die Weseler „Pro homine“-Krankenhaus-Holding ihrer Verpflichtung nach. Das Unternehmen betreibt Krankenhäuser in Emmerich, Rees und Wesel und hat einen kleinen Standort-Vorteil: Bereits seit einigen Jahren ist es Mitglied im Euregio-Projekt „EurSafety Health-net“, zu dem sich die Krankenhäuser der Regionen diesseits und jenseits der deutsch-niederländischen Grenze zusammengetan haben.
Das grenzüberschreitende Projekt ist eng verzahnt mit der Universität Münster, die jetzt auch die Weiterbildungsakademie aufgesetzt hat.
Zum Jubeln ist es angesichts der Vielzahl der Infektionen wohl noch zu früh, aber immerhin ist die Zahl der Infektionen auf deutscher Seite in der Euregio mittlerweile konstant.
Sorge wegen Antibiotika in der Tiermast
Während in den Kliniken das Bewusstsein für Hygiene und zielgerichteten Einsatz von Antibiotika (über den in den Niederlanden beispielsweise der Hygiene-Mediziner bestimmt) anscheinend erste Erfolge feiert, macht den Akteuren im Gesundheitswesen der zunehmende Antibiotika-Einsatz in der Tierzucht Sorge. „Sowohl der Antibiotikaeinsatz in der Tiermast als auch der Einsatz in der Humanmedizin tragen zur Belastung des Grund- und Trinkwassers mit Antibiotika bei“, mahnte kürzlich die Landesgesundheitskonferenz.
Die Niederländer haben zumindest bei den Landwirten aus der Schweine- und Rindermast seit vier Jahren ihre Antwort gefunden. Auch sie müssen seit vier Jahren mit einem Einzelzimmer vorlieb nehmen, bis geklärt ist, ob sie Risiko-Keime mitgebracht haben.