Berlin. In Deutschland muss alle acht Stunden ein Mensch sterben, weil kein Spenderorgan zur Verfügung steht. Nun soll das Projekt “Organspende macht Schule“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und der Techniker Krankenkasse bereits Schülern Mut machen, um über das Thema nachzudenken.

"Ich hab ja schon öfter mein Herz verschenkt, aber bisher war das nie so im wörtlichen Sinne gemeint", singt der HipHopper Bo Flowers. Auf der DVD "Organspende macht Schule" will er mit seinem Lied Schülern ab der 9. Klasse Mut machen, über das ernste Thema nachzudenken. Denn alle acht Stunden stirbt in Deutschland ein Mensch, weil kein Spenderorgan zur Verfügung steht. Das sind drei Menschen pro Tag oder mehr als 1.000 jedes Jahr.

"Musik ist ein guter Träger", sagt Bo Flowers, mit bürgerlichen Namen Flo Bauer. Er ist das Gesicht der neuen Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und der Techniker Krankenkasse. Zusammen mit seiner Musikerkollegin, der Sängerin Nele aus Hannover, setzt sich der Rapper für das Thema Organspende ein. "Ich will nicht sagen: tu dies, lass und mach das oder jenes, nur, dass du dich mit dem Thema beschäftigst, auch wenn das nicht bequem ist."

Leben mit einem fremden Herz

In dem 20-minütigen Film greifen beide Moderatoren die Fragen und Bedenken der Jugendlichen auf. Schließlich ist die DVD als Unterrichtsmaterial geplant. Da ist zunächst die komplizierte Frage nach dem Hirntod und wie das Transplantationsgesetz Missbrauch verhindern soll. Oft ist ja die erste Frage der Jugendlichen, ob man nicht leichtfertig zu einem "Spender wider Willen" wird.

Der Neurologe Günther Thayssen erklärt daher, was der Hirntod ist und wie er festgestellt wird. Fragen haben Schüler auch, ob sich eine Organspende überhaupt lohnt. Die Antwort gibt auf der DVD Bruno Kollhorst, der nach einer Rötelinfektion eine zunächst unerkannte Herzmuskelentzündung bekam und seit 2006 mit einem Spenderherz lebt. Wie es sich mit einem anderen Herz "liebt und so", wollen die Schüler wissen. Nicht nur, ob man lebt. Auch darauf antwortet Kollhorst: Er ist 2009 Vater geworden.

"Organspender sind Lebensretter"

"99 Prozent der jungen Menschen wollen anderen helfen", weiß die Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Elisabeth Pott. Und weiß auch, dass Organspende ein heikles Thema ist. Meist wird es akut, wenn man selbst betroffen ist oder jemand im engeren Verwandten- und Bekanntenkreis. Und dann heißt es oft Warten: Auf eine Niere beispielsweise bis zu sieben Jahre. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr hat - nicht erst seit seinem Ministeramt - einen Spenderausweis. Denn wer sich nicht entscheide, der lege die Entscheidung in die Hände der Angehörigen - "und das in einer sehr schwierigen Situation", sagt der FDP-Politiker.

Debatte über Organspenden

Wer einen Personal- oder Führerschein beantragt, soll im Regelfall gefragt werden, ob er als Organspender bereitsteht. Das hat Unions-Fraktionschef Volker Kauder angeregt. Mit der Regelanfrage und der Dokumentation im Ausweis will er erreichen, ...
Wer einen Personal- oder Führerschein beantragt, soll im Regelfall gefragt werden, ob er als Organspender bereitsteht. Das hat Unions-Fraktionschef Volker Kauder angeregt. Mit der Regelanfrage und der Dokumentation im Ausweis will er erreichen, ... © AP
... dass sich
... dass sich "die Menschen Gedanken über das Thema machen müssen", sagte Kauder der WAZ-Mediengruppe. Schließlich gebe es viele Menschen, ... © WAZ
... die dringend auf eine Spende angewiesen sind und auf Hilfe warten. Dennoch bekommt Kauder aus der eigenen Partei Gegenwind. Etwa von...
... die dringend auf eine Spende angewiesen sind und auf Hilfe warten. Dennoch bekommt Kauder aus der eigenen Partei Gegenwind. Etwa von... © Techniker Krankenkasse
... Dr. Günter Krings, der als CDU-Fraktionsvize mit rechtspolitischen Fragen betraut ist. Er sagt: „Es kann nicht sein, dass jeder grundsätzlich erstmal ein Ersatzteillager ist.“
... Dr. Günter Krings, der als CDU-Fraktionsvize mit rechtspolitischen Fragen betraut ist. Er sagt: „Es kann nicht sein, dass jeder grundsätzlich erstmal ein Ersatzteillager ist.“ © Fremdbild
Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Jens Spahn (CDU), hingegen begrüßt den Vorschlag von Volker Kauder. „Wir versuchen, möglichst praktische Ansätze zu finden, um die Zahl der potenziellen Organspender zu erhöhen
Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Jens Spahn (CDU), hingegen begrüßt den Vorschlag von Volker Kauder. „Wir versuchen, möglichst praktische Ansätze zu finden, um die Zahl der potenziellen Organspender zu erhöhen" erklärt Spahn. Er selbst... © ddp
... besitze zwar einen Ausweis, habe ihn aber noch nicht ausgefüllt. „Die Frage beschäftigt mich schon seit einiger Zeit“, so Spahn. Allerdings habe ihn erst sein politisches Engagement im Gesundheitsbereich auf die Wichtigkeit des Themas aufmerksam gemacht.
... besitze zwar einen Ausweis, habe ihn aber noch nicht ausgefüllt. „Die Frage beschäftigt mich schon seit einiger Zeit“, so Spahn. Allerdings habe ihn erst sein politisches Engagement im Gesundheitsbereich auf die Wichtigkeit des Themas aufmerksam gemacht. © ddp
„Ich bin gegen eine Widerspruchslösung. Denn sie würde bedeuten, dass Menschen ungefragt zu Organspendern würden
„Ich bin gegen eine Widerspruchslösung. Denn sie würde bedeuten, dass Menschen ungefragt zu Organspendern würden", sagt NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne). "Das darf nicht passieren, es muss das Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen bleiben." Das sieht auch... © WAZ FotoPool
... Steffens Vorgänger, der ehemalige Arbeits- und Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann (CDU, r.), so. „Grundsätzlich gilt: Jeder hat das Recht, über seinen Körper selbst zu bestimmen
... Steffens Vorgänger, der ehemalige Arbeits- und Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann (CDU, r.), so. „Grundsätzlich gilt: Jeder hat das Recht, über seinen Körper selbst zu bestimmen", sagt er. Er sieht dieses Recht aber nicht eingeschränkt. Denn: ... © ddp
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... "Dieses Recht würde auch durch eine Widerspruchsregelung, wie es sie in Österreich gibt, nicht in Frage gestellt. Es wäre sogar sinnvoll, Organspenden zuzulassen, wenn der Spender dem nicht zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen hat", sagt Laumann. Auf ein anderes Problem... © sergej lepke
... weist der NRW-Landesvors. des Marburger Bundes, Rudolf Henke, hin.
... weist der NRW-Landesvors. des Marburger Bundes, Rudolf Henke, hin. "Wir können davon ausgehen, dass nur 40 Prozent aller Patienten mit Hirntod als mögliche Spender gemeldet werden. Was nützt ein Organspende-Ausweis, wenn der Patient gar nicht als Spender wahrgenommen wird?" © Rudolf Henke
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Stefan Romberg, sagt: „Wir müssen die Menschen besser über das Thema aufklären. Diese Aufklärung könnte schon in der Schule beginnen. Eine Widerspruchslösung wäre am einfachsten.
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Stefan Romberg, sagt: „Wir müssen die Menschen besser über das Thema aufklären. Diese Aufklärung könnte schon in der Schule beginnen. Eine Widerspruchslösung wäre am einfachsten." Eine gemeinsame Initiative, ... © WR
... unabhängig von der Fraktionszugehörigkeit, wünscht sich Carola Reimann (SPD). Die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses will ebenso erreichen, dass sich mehr Menschen mit dem Thema beschäftigen. „Jeder sollte gefragt werden, muss aber auch Nein sagen können.“ Allerdings halte sie es für keine gute Idee, ...
... unabhängig von der Fraktionszugehörigkeit, wünscht sich Carola Reimann (SPD). Die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses will ebenso erreichen, dass sich mehr Menschen mit dem Thema beschäftigen. „Jeder sollte gefragt werden, muss aber auch Nein sagen können.“ Allerdings halte sie es für keine gute Idee, ...
... solch eine sensible medizinische Information in einen Führerschein zu drucken. Reimann drängt auf eine zügige Lösung: „Bisher ist es so, dass meist die Angehörigen am Krankenbett über eine Organentnahme entscheiden müssen. Damit sind viele überfordert.“
... solch eine sensible medizinische Information in einen Führerschein zu drucken. Reimann drängt auf eine zügige Lösung: „Bisher ist es so, dass meist die Angehörigen am Krankenbett über eine Organentnahme entscheiden müssen. Damit sind viele überfordert.“ © ddp
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Daher sein Rat: rechtzeitig entscheiden. Übrigens: Auf dem Spenderausweis kann man ausdrücklich der Entnahme von Organen und Geweben nach seinem Tod widersprechen. Oder zumindest festlegen, welche Organe nur entnommen werden dürfen. Heute warten mehr als 12.000 Menschen in Deutschland auf eine Spenderorgan. Für den Gesundheitsminister ist daher klar: "Organspender sind Lebensretter." Gibt es nicht möglicherweise für Menschen mit kirchlicher Bindung ein moralisches Problem? Der Katholik Bahr glaubt nein: "Organspende ist auch ein Akt der Nächstenliebe." (dapd)