Essen. . Die Zahl der Todesfälle durch medizinische Behandllungsfehler ist im letzten Jahr stark gestiegen, belegen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Viele Fehler passieren bei Operationen. Für die Patienten ist es oft schwer und teuer, dem Mediziner einen Fehler nachzuweisen, wissen Patientenanwälte.

Verletzter Harnleiter bei einer Unterleibsoperation, ein vergessenes Operationsbesteck im Bauchraum, komplett falsch eingesetzte neue Gelenke oder schlechte Wundnähte – für Patientenanwälte gehören diese Geschichten zum Alltag. Das Gesetz stärkt die Patientenrechte. „Doch es besteht nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Beweislage klar ist“, sagt Alexander Schäfer, Anwalt für Medizinrecht aus Frankfurt.

Laut Statistik ist die Zahl der Todesfälle durch Behandlungsfehler, Hygienemängel und fehlerhafte Medizinprodukte innerhalb eines Jahres deutlich gestiegen. 2010 wurden rund 1700 Tote registriert und damit Hunderte mehr als im Vorjahr. Anwalt Schäfer: „Die Zahl ist in Wirklichkeit deutlich höher.“ Die Dunkelziffer sei hoch.

Viele Fehler passieren bei Operationen. Alexander Schäfer: „Häufig liegt die Ursache in fehlerhaften Schnitten oder schlecht genähten Operationswunden. Aber wie will man das beweisen. Letztlich weiß es ja nur der Operateur.“

Wer trotzdem klagen will, sollte am besten rechtsschutzversichert sein. „So ein Verfahren zieht sich meist über Jahre hin“, sagt Schäfer. „Allein jeder Sachverständige muss bezahlt werden.“ Mit einigen tausend Euro komme man da oft nicht aus. Recht zu bekommen, sei nicht so einfach. Und koste nicht nur Geld, sondern auch Nerven.

Am schlimmsten seien Geburtsschäden. „Da geht es ja um Millionenbeträge“, sagt Schäfer, der von einem Fall aus der Praxis berichtet, wo sich der Prozess schon sechs Jahre hinzieht. „Es ist immer noch kein Urteil in Sicht.“

Instrumente in derWunde vergessen

Beim Klassiker – vergessene Instrumente im Bauch – seien die Erfolgsaussichten noch am besten. Wenn die Sache glasklar sei, könnten sich Patient und Klinik meist auf die Zahlung von Schmerzensgeld einigen. „So 30 000 Euro können das schon sein.“

Warum das passiert – dem Anwalt ist es schleierhaft: „Es gibt doch ganz klare Vorschriften. Die Instrumente müssen vor und nach der Operation von der OP-Schwester gezählt werden, der Arzt muss das abzeichnen.“ Fehler seien nicht unbedingt ein Hinweis auf Schlamperei. Eher auf Stress.

Im Alltag hat der Anwalt es häufig mit Infektionen zu tun. Eine Frau, um die 50. Das Bein musste man ihr abnehmen. Alles wegen der multiresistenten Krankenhaus-Keime (MRSA). „Was das bedeutet! Sie ist gehbehindert. Muss in den Beruf neu eingegliedert werden. Die Wohnung muss behindertengerecht umgebaut werden. Vielleicht ist sie sogar berufsunfähig.“ Da kämen Summen zusammen. „Doch wer zahlt das ohne Beweise?“

Schäfer hofft, dass dann, wenn Ärzte offener mit ihren Fehlern umgehen, Fehler vermieden werden könnten.

Er ist Mitglied des „Aktionsbündnisses Patientensicherheit“. Hier erhält er anonymisierte Fehlerberichte von Ärzten. Oft treten die Fehler auf, weil die Hygienevorschriften nicht eingehalten wurden, sagt er. Aus Zeitmangel oder fehlender Organisation heraus. „Die Niederlande sind uns voraus. Sie haben es geschafft, die Infektionsquote auf null herunterzubringen.“ Jeder Patient werde auf Keime getestet – und notfalls isoliert. Auch gebe es überall Hygiene-Fachärzte. „Der Nachteil ist, dass man in den Niederlanden auf Operationen recht lange warten muss.“ Um die deutsche Schnelligkeit mit besserer Hygiene zu koppeln, benötigten die Kliniken mehr Ärzte — und Geld.