Essen. Unsere Serie „Gesund von A bis Z“ gibt in loser Folge in 26 Artikeln quer durch das Alphabet Tipps zur Gesundheit. Heute: Yoga. Die aus Indien stammende philosophische Lehre soll Körper, Geist und Seele ins Gleichgewicht bringen und sorgt für Erholung und Entspannung.

Seinen Blick nimmt es kaum von der großen Taschenuhr. „Keine Zeit, keine Zeit“, sagt das flinke weiße Kaninchen aus „Alice im Wunderland“ und eilt weiter. So oder so ähnlich geht es heutzutage wohl immer mehr Menschen. Stress und Hektik bestimmen den Alltag. Verschnaufpausen schwinden. Was wächst ist der Wunsch nach einer ruhigen Minute, nach Erholung und Entspannung. Immer beliebter wird daher Yoga.

Yoga ist eine philosophische Lehre, die aus Indien stammt. „Sie soll Körper, Geist und Seele ins Gleichgewicht bringen“, sagt Viktoria Schmidt. Die Yogalehrerin praktiziert vor allem „Hatha Yoga“, eine Form der Lehre, die körperliche Übungen (Asanas) und Atemübungen (Pranayamas) mit Tiefenentspannungen verbindet. Zu Beginn einer Trainingsstunde steht bei ihr meist der „Sonnengruß“.

Der Anfang von Yoga war eine Herausforderung

„Das ist ein Ablauf verschiedener Körperhaltungen in Folge, bei dem alle Muskeln angesprochen werden. Dabei wird sanft ein- und ausgeatmet. Der Kursteilnehmer soll mit dieser Übung nach einem stressigen Tag erst einmal in den Yoga-Räumen ankommen, seine Gedanken loslassen und von Kopf bis Fuß entspannen können.“

Viktoria Schmidt erinnert sich noch genau an ihre erste Yogastunde. „Für mich war es am Anfang eine Herausforderung körperlich zu entspannen. Die Gedanken nicht in die Vergangenheit oder Zukunft streichen zu lassen, sondern im Hier und Jetzt zu sein und nur mich und meinen Körper wahrzunehmen.“

Die Zeit rinnt im Sekundentakt. Unaufhaltsam. Unwiederbringlich. Beim Yoga geht es darum, sich Zeit für sich zu nehmen. „Es geht darum abzuschalten, zu Ruhe und Gelassenheit zu finden. Wir vergessen uns selbst viel zu oft im Alltag und nehmen uns, unsere Bedürfnisse kaum wahr.“ Schlafende Fähigkeiten sollen entdeckt, das Gefühl für den eigenen Körper wieder gefunden und durch die Yogaübungen geschult werden. Allein die richtige Atemtechnik könne Blockaden im Körper lösen und zur Entspannung führen. „In Stresssituationen sind wir angespannt, ziehen den Bauch ein und verfallen in eine verkrampfte Zwergfellatmung. Wer die Augen schließt, sich zurücklehnt und ganz tief bis in den Bauch hinein abwechselnd ein- und ausatmet, spürt, wie sich Spannungen langsam lockern.“

Yoga fördert die Konzentration und Ausdauer von Kindern und Jugendlichen

Mit der Entspannung fallen Belastungen von der Seele ab. Meist nicht ohne Emotionen. Viktoria Schmidt sieht häufig Tränen fließen. „Yoga heißt Gemütsbewegungen herauszulassen. Tränen sind nichts, wofür man sich schämen müsste.“ Im Gegenteil: „Ich rate, Tränen fließen zu lassen. Sie sind der Beweis, dass sich etwas, das den Kursteilnehmer bedrückt, ihn schwermütig, bekümmert, vielleicht sogar gereizt macht, löst und vom Herzen abfällt.“ Nach solchen Erlebnissen während der Yogastunde nimmt sich die Diplom-Pädagogin und Kinesiologin oft Zeit. „Ich versuche die Menschen in Gesprächen aufzufangen und ihnen ein Ventil zu geben, das auszusprechen, was sie während der Übungen gefühlt haben, gleichzeitig aber möglicherweise auch von dem zu erzählen, das sie lange Zeit in sich hineingefressen und geschluckt haben.“

Viktoria Schmidt beobachtet, dass sich besonders Kinder und Jugendliche beim Yoga öffnen und von Erlebnissen Zuhause oder in der Schule erzählen. „Der Leistungsdruck und der voll gepackte Terminkalender, dem sie sich heutzutage gegenüber sehen, wühlt viele Kinder innerlich auf. Durch Yoga lernen sie stille Momente zu genießen und werden ausgeglichener.“ Über verschiedene Körperübungen, die zwischen An- und Entspannungen variieren, bauen sie Spannungen ab. Daneben fördert Yoga die Konzentration und Ausdauer von Kindern und Jugendlichen, trainiert ihre Beweglichkeit und schult ihren Gleichgewichtssinn.

Früher spielten die Kinder viel im Wald, tobten auf Wiesen und sprangen über Stock und Stein. Ihr Gleichgewichtssinn wurde spielerisch geschärft. „Das wird heute immer weniger. Die Kinder verbringen viel Zeit vor dem Fernseher oder Computer.“ Eine gute Gleichgewichtsübung beim Yoga sei der „Baum“, bei dem der Kursteilnehmer lernt, sicher auf einem Bein zu ruhen. „Man steht auf dem rechten Bein. Das linke ist angewinkelt, der Fuß stützt sich auf dem Oberschenkel des rechten Beins. Dann streckt man beide Arme gen Zimmerdecke und schiebt den Oberkörper langsam nach.“ Für die Erzieherin ist es eine gute Übung für einen sicheren Stand im Leben. „Der ‚Baum’ schafft ein Erdungsgefühl und sorgt für Bodenständigkeit.“

Verspannungen und Durchblutungsstörungen beim Yoga lösen 

Ob im Stehen, Sitzen oder Liegen: Die einzelnen Stellungen und die Wechselatmung beim Yoga regen die Zirkulation des Blutes an. Verspannungen und Durchblutungsstörungen werden gelöst. Der Körper tankt Kraft und Energie. Zum Beispiel beim „Schulterstand“, bei dem der Kursteilnehmer auf dem Rücken liegt. Die Beine werden vom Boden gehoben und gen Zimmerdecke geschwungen. So weit, dass sich der Rücken vom Boden löst. Steht er senkrecht, stützen die Handflächen und Unterarme den aufrechten Oberkörper, wobei die Ellenbogen auf dem Boden bleiben. Der „Yogi“ steht wie eine Kerze. „Die Übung regt Organe im Bauch an und kann bei Asthma und Erkältungen an den Bronchien eine befreiende Atmung unterstützen.“

Darüber hinaus wirkt die Entspannung beim Yoga gegen hohen Blutdruck, hilft bei Einschlaf- oder Verdauungsproblemen, Wechseljahrbeschwerden und Kopfschmerzen. Spezielle Kräftigungsübungen stärken außerdem Nacken- oder Rückenmuskulaturen und lindern Schmerzen im Kreuz. Eine solche Übung ist die „Kobra“. Der Kursteilnehmer liegt mit dem Bauch flach auf der Yogamatte. Dann werden die Arme am Körper angewinkelt und drücken den Oberkörper vom Boden weg. Der Blick ist nach oben gerichtet. Kopf und Brustkorb heben sich. Wenige Sekunden wird die Position gehalten, anschließend wiederholt. „Die ‚Kobra’ stärkt die Rücken-, Po-, und Armmuskulatur. Aber noch viel wichtiger: Sie öffnet Herz und Brust und gibt Kraft, dem Leben entgegenzustreben.“

Yoga kann ein Heilmittel gegen Erkältungen sein

Triefende Nase, Husten, Halsschmerzen: Yoga sei auch ein Heilmittel gegen Erkältungen. „Ob am Schreibtisch, beim Geschirrspülen oder bei der Gartenarbeit: Meist sitzen, stehen und arbeiten wir in einer Vorwärtsbeugehaltung, die Muskeln, insbesondere die am Rückenmark, einengen kann. Die Muskulatur entspannt sich, wenn der Rücken gerade durchgestreckt und die Schultern locker hängen gelassen werden. Durch die gezielten Streckungsübungen können Erkältungen, die sich in der Muskulatur eingenistet haben, gelöst werden.“

Vor Jahren reiste Viktoria Schmidt nach Indien. „Yoga gehört in Indien zum Alltag. Oft wird es dort beim Duft der Räucherstäbchen praktiziert.“ Aus dem südasiatischen Staat sind unterschiedliche Yogaformen nach Europa überliefert worden. „Beim ’Raja Yoga’, einer spirituellen Form des Yoga, wird die Technik des mentalen Trainings gelehrt. Dort geht es um die Entwicklung des Geistes. ‚Jnana Yoga’ ist der philosophische Teil des Yogas, ‚Bhakti-Yoga’ beschäftigt sich mit der Hingabe und Liebe zu Gott und ‚Karma-Yoga’ folgt dem Gedanken eines selbstlosen Dienstes, es wird auch als ‚Yoga der Tat’ bezeichnet.“ In Indien wird Yoga stark mit Meditation verbunden. Die Gruppen bestehen meist aus mehr als 100 Personen. „Da herrscht eine ganz andere Energie, das ist faszinierend“, sagt Viktoria Schmidt. Sie hat dort vor allem eins gelernt: „Ein guter Yogi spürt, wenn eine Körperstellung ihm nicht gut tun sollte, wenn es zu viel wird und es Zeit ist, aus einer Haltung herauszugehen. Die eigenen Grenzen sollten dann akzeptiert werden.“

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Yoga-Atemübungen bereiten schwangere Frauen auf Geburtswehen vor

Viktoria Schmidt empfiehlt mindestens einmal die Woche Yoga, auch für werdende Mütter. In der Elternschule am Klinikum Niederberg in Velbert unterrichtet sie Schwangerschaftsyoga und lehrt die Frauen, tief in den Bauch hinein zu atmen. Die Yoga-Atemübungen bereiten zugleich auf die Geburtswehen vor. Um den Rücken und die Gelenke in der Schwangerschaft von dem Gewicht des wachsenden Bauches zu entlasten, zeigt die Yogalehrerin Beckenbodenübungen. „In der Schwangerschaft erhöht sich der Hormonfluss und die Fähigkeit Wasser aufzunehmen. Die Flüssigkeit lagert sich im Gewebe, vornehmlich in den Beinen ein, die anschwellen.“

Lockerungsübungen aus der Yoga-Lehre regen die Durchblutung in den Beinen an, reduzieren Schwellungen, lösen Krampfadern und sorgen dafür, dass der Körper beweglich bleibt. „In den neun Monaten verändert sich der Körper einer Frau. Yoga gibt ihr Zeit, ihn neu wahrzunehmen“, sagt Viktoria Schmidt. Viele werdende Mütter würden insbesondere den Kontakt zu anderen schwangeren Frauen beim Yoga schätzen. „Sie tauschen Erfahrungen aus, sprechen über Sorgen oder Ängste, werden so mental beruhigt und für ihre zukünftigen Aufgaben als Mutter gestärkt.“