Dortmund. Kein Arzt kann seinen Patienten täglich eine persönliche Betreuung ermöglichen. Mit Hilfe der Telemedizin kann chronisch Kranken allerdings eine umfangreichere Überwachung ermöglicht werden. Ein Ersatz für den Hausarzt sind die telemedizinischen Angebote jedoch nicht.

Häufige Arztbesuche mit langen Wartezeiten gehören für Hans Willi Schmidt der Vergangenheit an. Wenn er wieder einmal Schmerzen in der Brust verspürt, legt der 59-jährige Herzpatient einfach selbst ein EKG-Gerät an und überträgt die Daten per Telefon an eine Klinik in Bad Oeynhausen. "Telemedizin" nennen dies die Experten und verknüpfen damit große Hoffnungen. NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) sieht sogar die Möglichkeit, dadurch Versorgungsdefizite insbesondere auf dem Land auszugleichen.

Das EKG-Gerät fiepst, als Schmidt es an seine Brust hält. "Das wird nun gespeichert und anschließend kann ich es vor dem Telefon abspielen", erläutert der Dortmunder. Ein Computer in einer Klinik in Bad Oeynhausen zeichne dann seine Daten auf. Ein Arzt könne diese entschlüsseln und wisse sofort, was los ist.

Im Zweifelsfall kann das Leben retten. So wie 2010 bei Schmidts zweitem Herzinfarkt. Als der diensthabende Arzt in Bad Oeynhausen die EKG-Daten des Dortmunders sah, sagte er ihm, er solle sofort den Notarzt rufen. Aber auch in anderen Situationen leistete das EKG-Gerät Schmidt gute Dienste. "Ich fühle mich einfach sicherer", sagt der Dortmunder. Immer mal wieder habe er befürchtet, erneut einen Herzinfarkt erlitten zu haben. Das EKG konnte ihn dann jedoch beruhigen.

Telemedizin noch kaum verbreitet

Wirklich verbreitet ist die Patientenbetreuung per Telemedizin noch nicht. Rainer Beckers, Geschäftsführer des Zentrums für Telematik im Gesundheitswesen in Bochum, an dem neuerdings ein Zentrum für Telemedizin angesiedelt ist, schätzt, dass gerade einmal ein Prozent der 1 bis 1,5 Millionen chronisch Kranken in Nordrhein-Westfalen telemedizinische Angebote nutzt. Das wären etwa 10.000 bis 15.000 Menschen.

Zum einen liege das daran, dass es für viele Krankheitsbilder derzeit noch keine in großen Studien erprobten telemedizinischen Angebote gebe, so etwa für psychiatrische Erkrankungen, sagt Beckers. Zum anderen biete auch nicht jede Kasse ihren Mitgliedern Entsprechendes an.

Aber auch bei den Ärzten sieht Beckers ein Problem. Sie müssten besser über bestehende Angebote aufgeklärt werden und die Informationen an ihre Patienten weitergeben, fordert der Experte. Hier soll auch das neu gegründete Telemedizin-Zentrum helfen. Dass die Telemedizin den Arztbesuch einmal vollständig ersetzen könnte, erwartet Beckers aber nicht. "Ich gehe davon aus, dass die Telemedizin ein fester Bestandteil der Medizin sein wird", sagt er zwar. Ein Großteil der Behandlung werde und müsse aber weiter über den direkten Kontakt laufen. Davon ist auch der Sprecher des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums, Christoph Meinerz, überzeugt.

Telemedizin ist Ergänzung, kein Ersatz

Die Telemedizin könne das direkte Gespräch zwischen Arzt und Patient "nicht generell ersetzen", sagt er. Auch Hans Willi Schmidt sieht das so. Seinen Blutdruck und sein Gewicht kann er zwar zu Hause überprüfen, ebenso ein EKG machen. Für andere Behandlungen geht er jedoch nach wie vor zu seinem Kardiologen in Dortmund.

Die ergänzende Betreuung per Telemedizin möchte er aber nicht mehr missen: "Es ist bequemer, ich erreiche 24 Stunden am Tag einen Arzt und ich muss nicht extra erst ins Krankenhaus gehen", sagt der 59-Jährige. Und auch für die Ärzte ist die Telemedizin nach Beckers Einschätzung eine Erleichterung. Denn: "Welcher Arzt hat schon die Zeit, jeden Tag den Blutdruck seiner Patienten zu überprüfen?" (dapd)