Paris.. Wer trägt eine Mitschuld an dem Skandal um defekte Billig-Brustimplantate? Die Blicke der Betroffenen richten sich auf die Lieferanten des giftigen Industriesilikons, auf die Behörden und den deutschen TÜV. Die EU will derweil strengere Vorgaben einführen.

Eine Klagewelle rollt weltweit auf die Gerichte wegen des Skandals um defekte Billig-Brustimplantate der französischen Firma PIP zu. Allein in Frankreich haben bereits mehr als 2000 Frauen Anzeige erstattet, in Deutschland ist die Zahl der Fälle noch unklar.

Wer für den Schaden haftet und ob die Frauen je eine Entschädigung erhalten, steht in den Sternen: PIP ist pleite und andere Beteiligte weisen jede Schuld von sich. Hunderttausende Brustimplantate gefüllt mit einem Billig-Silikon hatte PIP von 2001 bis 2010 weltweit verkauft; in den Einlagen wurde aus Kostengründen statt eines medizinischen Silikons ein Industriesilikon verwendet, das eigentlich als Dichtungsmasse eingesetzt wird.

"Fortgesetzt getäuscht worden"

Einlagen rissen gehäuft, in Deutschland wurden bisher 25 Fälle gemeldet. Die Opfer führen Entzündungen und sogar Krebsfälle auf das Industriesilikon zurück. PIP-Firmengründer Jean-Claude Mas macht aus dem Einsatz von Billig-Silikon keinen Hehl, doch das war seiner Ansicht nach nicht schädlich. Ende 2012 soll in Südfrankreich der Prozess wegen "schweren Betrugs" gegen ihn beginnen

Doch in puncto Haftung und Entschädigung wird bei dem 72-Jährigen mit seiner in Konkurs gegangenen Firma wohl wenig zu holen sein. Die Anzeigen der betroffenen Frauen wenden sich allerdings nicht nur gegen PIP, sondern auch gegen die staatliche französische Medizinproduktebehörde Afssaps, gegen Ärzte und Kliniken sowie gegen den TÜV Rheinland. Der hatte PIP-Produkte europaweit zertifiziert und ihnen damit das begehrte CE-Siegel für geprüfte Sicherheit verschafft.

In Frankreich wird deshalb gerne mit dem Finger auf den TÜV gezeigt: Die Afssaps, Ärzte und Krankenhäuser hätten sich auf den TÜV verlassen müssen, heißt es. Der TÜV Rheinland wiederum sieht keine Schuld bei sich, denn er sei bei seiner Prüfung von PIP "nachweislich umfassend und fortgesetzt getäuscht worden".

Keine staatliche Kontrolle

Die Firma habe die Implantate geändert - also mit Industriesilikon gefüllt -, ohne dies mitzuteilen. Somit habe gar kein TÜV-Zertifikat für dieses Produkt vorgelegen. Der TÜV hat selbst Anzeige in Frankreich gegen PIP erstattet. Die EU will nun die Vorgaben strenger fassen, bevor ein Medizinprodukt überhaupt auf den Markt kommt.

Eine staatliche Kontrolle, etwa ein Zulassungsverfahren wie bei Arzneimitteln, gibt es für Medizinprodukte nicht. Hersteller müssen zwar ein so genanntes Konformitätsbewertungsverfahren zur CE-Kennzeichnung durchlaufen. Laut TÜV umfasste dies im Falle PIP aber keine Prüfung am Implantat selbst, vielmehr seien die Produktunterlagen und das Qualitätsmanagement geprüft worden. Die staatlichen Aufsichtsbehörden kommen bei Medizinprodukten erst ins Spiel, wenn es ein Problem gibt.

In Deutschland besteht eine Meldepflicht für Ärzte und Krankenhäuser, die etwaige Mängel beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte anzeigen müssen. Da Mitarbeiter der Firma PIP bereits im Jahr 2005 intern berichteten, dass sich Ärzte über gerissene Implantate beschwert hätten und in Chirurgen-Kreisen schon über PIP gemunkelt werde, halten viele die Ärzte für mitverantwortlich. In Großbritannien mit bis zu 50.000 Betroffenen richten sich Klagen deshalb vor allem gegen die Kliniken.

Lieferanten weisen Mitschuld von sich

Die Lieferanten des Industriesilikons, darunter der deutsche Chemiegroßhändler Brenntag, weisen eine Mitschuld von sich. PIP sei informiert worden, dass das Silikon nur für die Industrieproduktion bestimmt sei. Und auch die Versicherer wollen nicht für den Schaden haften, der allein in Frankreich auf rund 60 Millionen Euro für das Herausoperieren der defekten Implantate beziffert wird.

Die französische Allianz-Tochter, bei der PIP versichert war, hält den Vertrag für ungültig, weil die Firma betrügerisch gehandelt habe. So sieht im Moment vieles danach aus, als ob in dem Skandal am Ende die Frauen selbst oder der Staat über die Krankenkassen und über Entschädigungsfonds bezahlen müssen. (afp)